Ein ganz anderes Revier: Die Chesapeake Bay / USA (Okt. '97)

Die ganze Chesapeake Bay Es dauerte gar nicht so lange, bis mir die Lust auf einen neuen Segeltörn wieder keine Ruhe ließ. Beim Stöbern in den Angeboten zum Mitsegeln in den verschiedenen Magazinen fiel mir eine Anzeige besonders auf: Mitsegeln auf einer alten Mahagoni-Yacht in der Chesapeake-Bay/USA.
Meiner Frau gefiel die Idee ebenfalls und so wurde bald die Landkarte studiert, im Internet gesurft und versucht, etwas über die Region herauszufinden und schließlich Kontakt mit dem Skipper aufgenommen. Die Beschreibung des Törns und des Schiffes kaum auch prompt.
Nach dem Studium des Törnplanes und des Schiffes war die Entscheidung schnell getroffen. Groß war die Vorfreude auf eine schöne, alte 12m R-Yacht (Baujahr 1947) und einen Törn in einem spannenden und für uns doch etwas exotischen Revier, nämlich von Baltimore(MD) nach Norfolk (VA), der Länge nach durch die gesamte Chesapeake Bay.

Im Oktober ging's dann wirklich los. Der Flug von Frankfurt nach Baltimore/Washington (BWI) verlief problemlos, aber bei der Ankunft der erste Schreck: Das Gepäck ist nicht da. Nach der üblichen Verlustmeldung blieb uns zunächst nur übrig, den bestellten Mietwagen in Empfang zu nehmen und vom Flughafen BWI nach Downtown zu fahren. Die Fluggesellschaft versprach uns, das Gepäck sofort nach Eintreffen zum Hotel nachzuschicken. Bostoner Hafen am Abend Gott sei Dank hatten wir für die erste Nacht ein Hotel in Baltimore(MD) reserviert, da das Treffen mit dem Skipper erst für den nächsten Tag geplant war. Also blieb uns uns nur, das Handgepäck in unserem schönen und geräumigen Zimmer abzuladen und nach dem langen Sitzen im Flugzeug einen ersten Spaziergang durch die Stadt zu machen. Hier haben wir dann noch gemütlich zu Abend gegessen und den Abend in einer Bar langsam ausklingen lassen.

Entlang der Waterfront in Bostson Am nächsten morgen haben wir erst einmal das Frühstücksbuffet im Hotel genossen und anschließend ausgecheckt in der Hoffnung, dass wir die nächste Nacht -wie vorgesehen- bereits auf dem Schiff verbringen konnten. Nach dem Frühstück haben wir einen Spaziergang entlang der Waterfront, fast rund um den ganzen Hafen gemacht und Ausschau nach der Yacht gehalten. Allerdings sind wir zuerst in die falsche Richtung gelaufen. Bei der anschließenden Runde durch den "Inner Harbour" fanden wir ein Schiff, das wir für die "Hanjague" hielten Das Museums-Feuerschiff und das U-Boot (gesprochen Hänschigg und benannt nach einem Felsen vor den Eastern Isles in der irischen See) vor Anker, nahe dem Aquarium und den verschiedenen Museumsschiffen direkt vor der Promenade mit den vielen Shopping malls. Die Hanjague vor Anker im Bostoner Hafen Da wir den Namen nicht richtig erkennen konnten und die Schweizer Flagge schlapp am Flaggenstock hing, baten wir einen Tretbootfahrer, eine Runde um das Schiff zu drehen und uns den Namen mitzuteilen. Als dieser nette Mensch uns den Namen bestätigt hatte brauchten wir nur kurz zu warten, bis der Skipper an Deck kam. Dann haben wir uns mit Rufen und Winken bemerkbar gemacht, worauf hin er mit dem Beiboot herübergerudert kam und uns auf das Schiff holte. Das Bostoner Rathaus Hier haben wir uns erst einmal mit dem jungen Schweizer Skipper Daniel bekannt gemacht und uns das Schiff etwas näher angeschaut. Anschließend haben wir zum ersten mal gemütlich im Mahagoni-Cockpit gesessen, ausführlich geplaudert und einen Proviantplan erstellt. Anschließend haben wir dann zusammen einen ausgedehnten Stadtbummel gemacht. Hier haben wir uns den modernen Teil der Stadt und die übrig gebliebenen Reste aus der Kolonialzeit angeschaut. Dann wurde der aufgelistete Proviant in größeren Mengen im Supermarkt besorgt und zum Schiff geschleppt. Am Abend haben wir noch ein gemeinsames Abendessen "american style" gegessen. Anschließend haben wir noch einmal am Hotel vorbeigeschaut und konnten hocherfreut und glücklich das inzwischen eingetroffene Gepäck abholen und uns auf dem Schiff endgültig einrichten.

Frühstück im 'Inner Harbour' von Baltimore Am nächsten Morgen fing der Urlaub bei strahlendem Sonnenschein mit einem umfangreichen Frühstück im Cockpit an, umgeben von neugierigen Passanten auf der Promenade und Tretbootfahrern um uns herum, die alle das schöne, alte Schiff mit seinen schnittigen Formen bewunderten. Dies hinderte uns aber nicht daran, uns den frischen Kaffee und die Frühstücksbrote munden zu lassen und unsererseits die Aussicht auf die Stadt und die vielen Museumsschiffe und Bootfahrer zu genießen.

Die 2 bequemen Kojen Dass so ein Schiff allerdings nicht nur Vorteile hat, habe ich bereits nach dem Aufstehen festgestellt. Die ersten weniger schönen Erfahrungen machte ich in dem Mini-Waschraum, wo ich kaum aufrecht stehen konnte und mein Kopf im leichtesten Wellengang immer wieder zwischen den verschiedenen Stringern anstieß. Der Salon war hingegen sehr komfortabel, insbesondere, wenn der Tisch zwischen den beiden Längssofas aufgestellt wurde oder diese zu äußerst großzügigen und bequemen Kojen für uns umgebaut waren. Im Salon waren dies (außer einer Hundekoje) die einzigen Schlafmöglichkeiten. Weitere Gelegenheiten gab es im Vorschiff in Form von Rohrkojen, in der sich der Skipper einrichtete.

Auslaufen aus Boston Nach dem Frühstück und den notwendigen Aufräumarbeiten lichteten wir den Anker und konnten den Törn direkt unter Segeln beginnen. Aus dem Inner Harbour ging es dann hinaus, an den Industrie-Hafenbecken vorbei und durch die Vororte in die sich immer mehr verbreiternde Bucht. So konnten wir unseren ersten Urlaubstag bei bestem Wetter unter Segeln genießen. Gegen Ende des Tages ging es dann zum ersten mal in eine stille Bucht namens Sillerey Bay, wo wir bei geringer Wassertiefe den Anker fallen ließen. Hier haben wir in der Stille der Natur unsere erste Nacht "en route" verbracht.
Die insgesamt nicht besonders große Wassertiefe der Chesapeake Bay hat uns später im Zusammenhang mit den -zugegebenermaßen- geringen Tidenschwankungen noch ganz besondere Überraschungen beschert, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Am nächsten morgen ging der Törn dann von der herrlich stillen Bucht nach Annapolis, dem Segelmekka der Amerikaner, wo wir zufälligerweise zur "Sailing Week" ankamen. Nachdem wir eine Ehrenrunde durch den Hafen gedreht hatten, fanden wir noch einen tollen Platz Mit dem Beiboot zum Anleger und konnten mit viel Glück noch an einer freien Mooringboje in der ersten Reihe festmachen. Anschließend kam das schöne massive, hölzerne Beiboot zum Einsatz, mit dem wir zum Hafen ruderten. Ein ausgedehnter Spaziergang durch das In Annapolis Städtchen gab uns einen Eindruck von dem typisch amerikanischen Kleinstadt-Flair mit einer gepflegten Architektur. Die Sträßchen zeigen immer noch eine Aneinanderreihung von kolonialen Häusern im amerikanischen Stil, schönen Geschäften und reichlich Seafood-Restaurants (mit Lobster, Crabs & Co.). In einem dieser urigen Restaurants haben wir ein schönes und einigermaßen preiswertes Abendessen genossen. Danach ging's wieder mit dem Biböötli (wie sich unser Schweizer Skipper ausdrückte) zurück zum Boot.

Die Chesapeake Bay Bridge Am nächsten Tag ging es dann bei wenig Wind weiter auf unserem Törn. Die Chesapeake Bay verbreiterte sich immer mehr, so dass es schon beeindruckend war unter der großen Doppelbrücke hindurch zu segeln. In diesem schönen Segelrevier waren auch andere Segler unterwegs, so dass auch dadurch genügend Abwechslung gegeben war. Außerdem tauchten auch die ersten Leuttürme auf, die in dieser Region noch sehr charakteristische Bauwerke sind. Hier findet man schöne Konstruktionen, die teils massiv aus Stein, teils auch in Form eines Achtecks auf stählernen "Spinnenbeinen" gebaut sind.

Leider nahm der Wind immer weiter ab, so daß wir nach anfangs gemütlichem Segeln später längere Zeit bei schönstem Sonnenschein in der Flaute dümpelten. Das hinderte uns jedenfalls nicht daran, im Cockpit ein gemütliches Mittagessen mit "echten" selbstgemachten Hot Dogs zu verspeisen.
Am Nachmittag kamen wir auch nicht besonders voran. Zur "Kaffezeit" lagen wir längere Zeit im schönsten Sonnenschein, absoluter Flaute und bei total glattem Wasser in der Nähe einer Fahrwassertonne und kamen nicht vom Fleck. Im Abendrot zur Ankerbucht Also wieder aus der Not eine Tugend gemacht und frischen Tee aufgebrüht. Diesen haben wir dann ganz stilecht aus zarten chinesischen Teetassen im Cockpit faulenzend genossen (Es ist schon erstaunlich, welchen "Luxus" man zuweilen an Bord einer einfachen Segelyacht findet). Nachdem aber auch später kein Weiterkommen festzustellen war, mußten wir notgedrungen unsere idyllische Situation aufgeben, den Motor zu Hilfe nehmen und Kurs auf einen abendlichen, sicheren Liegeplatz nehmen. Diese gemütliche Motorfahrt wurde dazu benutzt, in aller Ruhe die Zutaten für das Abendessen vorzubereiten.

Um einen ruhigen Ankerplatz aufzusuchen segelten wir in einen sehr schmalen Seitenarm der Bay, der im Handbuch als sicher und geschützt beschrieben wurde. Die Ansteuerung gelang sogar in der mittlerweile eingetretenen Dunkelheit trotz äußerst sparsamer Betonnung und Befeuerung auf Anhieb. Hier ließen wir in der Nachbarschaft eines weiteren Bootes den Anker fallen und ließen uns in der Ruhe und Abgeschiedenheit das Abendessen schmecken.
Bei immer stärker auffrischenden Winden wurde die Nacht trotz Rundumschutz durch Büsche und Wald sehr unruhig. Nach Mitternacht heulte der Wind mächtig, die Yacht schüttelte sich, schwojte sehr stark und zerrte dermaßen stark am Ankergeschirr, dass wir mehrfach aufstanden und Anker und Position kontrollierten.

Am nächsten Vormittag wollten wir nach der Wetterberuhigung wieder aus der Bucht auslaufen wie wir eingelaufen waren. Trotz Tageslicht gelang es uns nicht, die nur meterbreite Fahrrinne zu erwischen, Leuchtturm in der Chesapeake Bay in die wir abends bei normalem Wasserstand so problemlos eingelaufen waren. In der Nacht hatte der Wind das Wasser offensichtlich aus der Bucht herausgedrückt, so dass das Auslaufen mißlang und wir kurz darauf fast hoffnungslos im Schlick festsaßen. Die anschließende Plackerei mit Maschine, ausgerollter Genua zur Krängung, Ruderboot und Verholeleinen führte nach längerer Zeit und mit viel vergossenem Schweiß wenigstens zu dem Ergebnis, dass wir uns im Schlick gedreht hatten und wieder in die Bucht zurück konnten. Nach nochmaliger Konsultation der Gezeitentafel, zwei weiteren Versuchen, die ähnlich verliefen und einem Besuch bei einem Einheimischen, der uns die ganze Zeit aus seinem Haus beobachtet hatte konnten wir gegen Mittag, nachdem wir uns durch den Schlick freigefahren hatten endlich unseren Törn fortsetzen.

Schönes Herrenhaus in herrlicher Umgebung Trotz der Größe der weiten Chesapeake Bay war sorgfältige Navigation gefordert, weniger wegen der übrigen Schifffahrt sondern wegen der generell niedrigen Wassertiefe und den überaus vielen Untiefen. So haben wir bei einem Tiefgang von ca. 1,80m mehrfach Berührung mit dem weichen Grund gehabt, insbesondere beim Einlaufen in stille, kleine Buchten, aber auch beim Einlaufen in Häfen, die zwar oft für größere Motorboote mit geringerem Tiefgang noch problemlos befahrbar sind, den Seglern mit ihren Kielbooten aber nur eingeschränkte Möglichkeiten bieten.

Die nächsten Tage führten uns durch eine landschaftlich wunderbare Gegend mit Orten, die ich eher auf der Landkarte in England gesucht hätte: St.Michaels, Oxford, Cambridge etc., alles hübsche, amerikanische Kleinstädte, in denen das Wort "Stress" noch keine große Bedeutung hat.

Die Hanjague unter anderen Oldtimern Ein Highlight war die Übernachtung im Hafen von St.Michaels(MD), wo wir uns nach mehrmaliger Grundberührung, zuerst in der Ansteuerung und dann sogar im Hafen nahe der Bootstankstelle dafür entschieden, etwas außerhalb an der Pier im Chesapeake Bay Maritime Museum (siehe unter "Links")in der Nähe anderer alter Schiffe festzumachen. Hier waren wir mit unserem alten 12er in sehr guter Gesellschaft. Überrascht waren wir und die Museumsbesucher am nächsten Morgen gleichermaßen, als wir uns als Im Chesapeake Bay Maritime Musem Teil des Museums bestaunt fühlten und die Besucher überraschenderweise Leben an Bord eines "Museumsschiffes" vorfanden. Trotzdem ließen wir uns die gute Laune nicht verderben und frühstückten erst mal in Ruhe an Bord. Anschließend machten wir einen Rundgang durch das Museum und bestaunten neben einer alten Schiffs-Werkstatt, alten Arbeitsbooten und Schonern und verschiedenen maritimen Ausstellungsstücken natürlich auch den markanten acht-eckigen Leuchtturm auf seiner eisernen Tragkonstruktion. Das Museum wird von vielen Einheimischen und gelegentlich auch Fremden -wie wir- besucht und "lebt" durch die immer noch durchgeführten Restaurierungsarbeiten weiter.

Der Leuchtturm St.Michaels Nach der ausgiebigen Besichtigung des Museums stand dann noch ein Stadtbummel auf dem Programm. St.Michaels ist ein richtig schönes, verschlafenes Örtchen in der amerikanischen Provinz. Hier geht alles noch einigermaßen geruhsam zu und die gemischte In St.Michaels/MD Holz- und Backstein-Architektur zeugt teilweise noch vom Baustil des letzten Jahrhunderts. Natürlich fehlen auch die modernen Versorgungseinrichtungen und Souvenirläden nicht, und so haben wir einen ruhigen Tag mit Besichtigungen und Faulenzen verbracht. Dumm war nur, dass der Museumseingang geschlossen war, als wir wieder auf unser Schiff wollten. Also mußten wir klammheimlich über den Zaun steigen und haben dann nach nicht allzu langer Zeit den Ort sicherheitshalber wieder verlassen.

Ruhe und Einsamkeit in der Natur Die nächsten Nächte verbrachten wir wieder in der Abgeschiedenheit von stillen Buchten z.B. im Wye River, wo wir außer Enten, großen Vogelschwärmen und anderem Federfieh kaum ein anderes Lebewesen zu Gesicht bekamen. Nach dem lecker zubereiteten Abendessen (mit dem Salat-Schleudern in einem Trockentuch) noch ein kühles Bier im Cockpit zu trinken war in der Stille der Bucht und vor der untergehenden Sonne eine wunderbare Erholung. Stille Buchten sind eine schöne Abwechslung zu zugegebenermaßen durchaus interessanten Städtchen und Dörfern.

Eine weitere Nacht verbrachten wir kostenlos am privaten Anleger eines Restaurants in der Nähe von Oxford. Offensichtlich schien der Anleger nicht so häufig benutzt zu werden denn er war mit den Hinterlassenschaften ganzer Enten- oder Mövengenerationen überzogen und damit reichlich schmutzig und besonders rutschig. Natürlich ging der Eigner davon aus, dass -wenn wir seinen Steg benutzen- wir auch das Abendessen in seinem Restaurant einnehmen, wovon wir bei leckeren Spare Ribs und einigen eiskalten(!) und damit fast geschmacklosen Getränken aus der heimischen Brauerei-Industrie auch gerne Gebrauch gemacht haben. Immerhin war das mal eine Abwechslung zum Selberkochen und von Spare Ribs verstehen die Amerikaner ja nun wirklich etwas.

Warten mit den Einkäufen auf unseren freundlichen Chauffeur Da unser Proviant inzwischen wieder auf ein Minimum geschrumpft war, bot sich die Gelegenheit, im Städtchen die nötigen Besorgungen einschl. reichlich Trinkwasser in Kanistern zu tätigen. Der Bummel in und durch die Stadt war sehr gemütlich. Der Einkauf war, zumindest was die Auswahl und die Menge an Einkäufen anging, ebenfalls sehr erfolgreich. Der Rückweg, bepackt mit diversen schweren Einkaufstüten und Trinkwasserkanistern wäre doch recht beschwerlich geworden, wenn uns nicht ein freundlicher Amerikaner bemitleidet und uns angeboten hätte, mal eben nach Hause zu gehen, sein Auto zu holen und uns mit unseren Einkäufen zum Schiff zu fahren. Das haben wir natürlich sehr gerne angenommen. Manchmal ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Leute schon überraschend.

Nach einer äußerst interessanten und abwechslungsreichen Woche steuerten wir dann Cambridge(MD) an, um einen weiteren Mitsegler aufzunehmen. An der Hafeneinfahrt legten wir kurz an und Daniel fragte einen Einheimischen nach den Liegemöglichkeiten. Beim Ablegen drückte ich das Schiff soweit von der Kaimauer ab, dass ich plötzlich als lebende Brücke zwischen Schiff und Pier hing. Den Absturz ins Wasser konnte ich nur mit einem beherzten Rückzieher vermeiden, bei dem ich mir meine Extremitäten doch recht heftig am Schiff angestoßen habe. Der Liegeplatz im flachen Binnenhafen fast direkt vor dem Rathaus wurde sorgfältig ausgewählt und das Schiff an den Festmacherleinen solange vorwärts und rückwärts an der Kaimauer entlang gezogen, bis wir die Stelle mit der bestmöglichen Wassertiefe (ca. 2,40m bei 1,80m Tiefgang) ausgemacht hatten. Damit konnten wir bei den Tidenschwankungen ein Aufsetzen gerade noch vermeiden.
Am Sonntag morgen war das Wetter dann sehr regnerisch, so dass sich die Einheimischen und die Kirchgänger mehr als wunderten, drei Gestalten total in Ölzeug vermummt und mit Gummistiefeln zu Fuß (!) am Highway entlang zur Greyhound-Station laufen zu sehen, die leider nie in der Stadt sondern meistens außerhalb an Highway-Knotenpunkten liegen. Gemütlich und faul im Schiff Hier brauchten wir nur kurz auf den Bus zu warten. Mit dem neuen Mitsegler Beat und seinem Gepäck leisteten wir uns dann ein Taxi, dass uns zügig und wesentlich komfortabler zum Schiff zurück brachte. Auch hier erntete das Schiff mit seinen schönen Rumpflinien, dem glatten Deck, dem superkleinen Heckspiegel und den schönen Holzarbeiten wieder viel Bewunderung. Ein älterer Herr, der früher selbst viel auf Holzbooten gesegelt war, war überglücklich, als wir ihn zu einem Whisky ins Cockpit einluden und lange Zeit mit ihm plauderten. Zum Abendessen sind wir dann alle gemeinsam in ein mexikanisches Restaurant gegangen und haben sehr gut gegessen.

Solomons Bay Yacht Club Die nächste Etappe führte uns -wie gewohnt- immer weiter südlich, an diesem Tag bis in die Solomons Bay und zum gleichnamigen Yachtclub. Dort brauchten wir ebenfalls nicht zu ankern sondern konnten komfortabel längsseits am Steg "vor Anker" gehen. Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt, im Yachtclub einige kühle Bierchen mit den einheimischen Seglern zu nehmen und etwas zu plaudern. Auch diese Leute waren äußerst freundlich und luden uns zum Bier ein. Da die Gelegenheit günstig war haben wir auch gleich im Yachtclub zu abend gegessen und anschließend in der Bar noch einige Biere getrunken und mit den Einheimischen gefachsimpelt. Am anderen Morgen ging die halbe Crew wieder einkaufen und kam anschließend voll beladen mit dem Shuttlebus vom Supermarkt wieder zurück zum Schiff. Ich hatte die Gelegenheit genutzt mir noch etwas die Gegend anzuschauen und noch einige Fotos zu machen.

Der nächste Tag war wieder ein sehr schöner Segeltag. Die Chesapeake Bay war inzwischen so weit geworden, dass man den Eindruck hatte, auf einem offenen, wenn auch sehr geschützten Seerevier zu segeln. Der Nachteil dabei war allerdings, dass man für einen sicheren und geschützten Ankerplatz aus der Bay immer relativ weit in die Nebenarme segeln mußte. So sind wir dann an diesem Tag zuerst in den Potomac River gesegelt (an dem weiter stromauf auch Washington liegt) und bereits bei Dunkelheit in den St. Marys River eingebogen. Hier war die Navigation schon wieder recht anspruchsvoll, da kaum Seezeichen ausgelegt sind und der Fluß mit seinen Untiefen doch recht gewunden ist. Wegen der fortgeschrittenen Zeit mußten wir uns in völliger Dunkelheit einen sicheren Ankerplatz suchen, was mangels Orientierung nicht so einfach war. Komfortables Dinner an Bord Entsprechend vorsichtig haben wir uns an den Schilfrand herangetastet und permanent die Tiefe und Richtung gepeilt, bis wir glaubten einen sicheren Platz zu haben und den Anker fallen ließen. Dann haben unsere hervorragenden Köche (zu denen ich leider nicht gehöre) noch ein leckeres Abendessen gezaubert, welches wir dann doch erst recht spät genießen konnten. Den Rest des Abends haben wir dann wieder gemütlich im Schiff bei kühlen Getränken und Kerzenschein verbracht. Am nächsten morgen waren wir doch etwas überrascht, als wir feststellten, dass gar nicht weit entfernt ein größeres Anwesen stand. Das war jedoch in der Dunkelheit nicht auszumachen.

Nach einem erneut schönen Segeltag Ruhe in der Fishing Bay war das Anlaufen der nächsten vorgesehenen Ankerbucht navigatorisch wieder etwas anspruchsvoller. Nur unter Segeln in die sehr verzweigten Nebenarme des Rappahannock River einzulaufen und dabei die engen Fahrwasser zu passieren war wieder eine schöne Aufgabe. Bei Sonnenuntergang fuhren wir an -dieses mal deutlich enger gestellten- roten und grünen Pfählen und Tafeln im Zick-Zack entlang, um schließlich nach einem großen Bogen in die schöne Fishing Bay einzulaufen, in der sich die Amerikaner jede Menge großzügige Ferienhäuser in wunderbarer Umgebung, natürlich alle mit großem Grundstück und Seeblick gebaut haben.

Der Chefkoch in der Kombüse In dieser Nacht lagen wir neben einigen anderen Seglern in der weitläufigen Bucht wieder vor Anker und schwojten ruhig vor der Kulisse der Strandvillen mit den privaten Steganlagen und den auch nicht gerade ärmlichen Yachten hin und her. Irgendwie bereitete uns die Zubereitung des Abendessens an diesem Tag mehr Schwierigkeiten als sonst. Nach der ganzen Prozedur herrschte ein ziemliches Chaos in der Kombüse und das Gulasch war etwas fester geworden als geplant. Trotzdem konnte uns das die Stimmung nicht verderben und nach den nötigen Spül- und Aufräumarbeiten haben wir mit einem "Absacker" im Cockpit (oder auch zwei ...) die Ruhe der Bucht genossen.

Am anderen Morgen konnten wir dann die recht abwechslungsreiche Route bei Tageslicht wieder zurück segeln. Ein anderer Segler meinte allerdings beim Auslaufen den großen Bogen aus der Bucht und den Zickzack-Kurs durch die engen Fahrwasser deutlich abkürzen zu können, worauf er dann ebenfalls unsere Erfahrung mit der geringen Tiefe der Buchten teilte und längere Zeit mit dem Freikommen von einer Untiefe ziemlich beschäftigt war (so ein Manöver kannten wir ja schon aus unseren eigenen Erfahrungen).
Kleinere Reparaturen während der Fahrt An diesem Tage kamen wir leider bei schwachem Wind nur mäßig voran und als wir später endgültig in der Flaute lagen mußten wir den "Dieselwind" zur Unterstützung bemühen. Da der Skipper bereits vor einiger Zeit festgestellt hatte, dass das Vorliek des Großsegels einiger Reparaturen bedurfte, stieg er bei der ruhigen Fahrt einfach auf den Großbaum und konnte so bei stabiler Lage und ohne großen Druck im Segel das beschädigte Vorliek nachnähen. Das Schiff ließ sich mit der Pinne auch recht komfortabel steuern, so dass sich der Kurs und die leichte Krängung bequem halten ließ.
Leuchtturm Wolf Trap Die Navigation war in der offenen und weiten Chesapeake Bay, im Gegensatz zu den vielen engeren und verzweigten Flüssen und Nebenarmen keine große Herausforderung und wurde gelegentlich auch durch einzelne Seezeichen und Leuchttürme unterstützt.

Am Abend suchten wir uns wiederum einen sicheren Ankerplatz. Dieses mal hieß das Ziel "Mobjack Bay", eine große, weitläufige Bucht, Stille in der Mobjack Bay die aber trotzdem in Ufernähe durch die Bäume einen guten Schutz gegen den schwachen Wind bot. Hier lagen wir wieder völlig allein in der Natur, nur begleitet von Enten, Gänsen und Vogelschwärmen. Hier konnten wir in Ruhe unsere Spaghetti vorbereiten und in aller Ruhe zu Abend essen. Gegen 19Uhr war es bereits stockdunkel und so konnten wir nach dem Abendessen unter sternenklarem Himmel im Cockpit sitzen und den Tag ausklingen lassen.

Die nun schon letzte Etappe führte uns dann zu Flugzeugträger in Norfolk unserem geplanten Zielort Norfolk(VA). Beim Erreichen der riesigen Bucht sahen wir die unzähligen mausgrauen Schiffe der größten Marinebasis der USA an der Atlantikküste: Aufklärer, Zerstörer, Fregatten, Versorger, Schnellboote, zwei riesige Flugzeugträger und viele weitere Schiffe Alle Arten von Schiffen der US-Marine aller Arten und Größenordnungen. Nach dem Passieren und dem Einlaufen in einen anderen Hafenteil (der Marinehafen ist sowieso für Zivilfahrzeuge gesperrt) bot sich uns schon wieder ein etwas freundlicheres Bild mit einer netteren Skyline und vielen Schiffen unserer Art und Größenordnung.

Während der Skipper mich frühzeitig an irgendeinem Steg an Land setzte, fuhr die Crew mit dem Schiff weiter in den weiträumigen Binnenhafen Landhäuser in Virginia um einen passenden Liegeplatz zu finden. Meine Aufgabe war es, mich zur Mietwagenstation am Hampton Airport durchzuschlagen und den vorbestellten Wagen dort zu übernehmen. Nach diversen Auskünften von hilfsbereiten Einheimischen über Lage des Airports, Busverbindungen, Umsteigestationen, Preise etc. habe ich mein Ziel dann auch tatsächlich irgendwann erreicht. Die Übernahme des Mietwagens und die Fahrt zurück in die Stadt gestaltete sich gegenüber der Hinfahrt trotz der schwierigen Beschilderung wieder einigermaßen problemlos.

Das Wiederfinden des Schiffes bzw. der Crew war schon etwas mehr vom Glück begünstigt, da ich weder wusste, wo der Skipper einen Liegeplatz gefunden hatte, noch die Mitsegler wussten, mit welchem Auto sie mich wo wieder einfangen konnten. Da aber zwischen den verschiedenen Sportboothäfen ein Wassertaxi verkehrte und ich mich offensichtlich an einer günstigen Stelle neben einem Restaurant postiert hatte, kam die Crew nach einiger Zeit dort vorbei. So haben wir dann gleich die Gelegenheit benutzt, in dem schön gelegenen Restaurant mit Hafenblick zu Abend zu essen. Die Hanjague mit dem 'Biböötli' in Norfolk, Ende unserer Reise Während des Essens beobachteten wir noch einen einsamen jungen Mann, der mit seinem Seesack suchend an der Hafenmauer entlang lief. Schnell stellte sich heraus, dass dieses der Mitsegler für die nächsten beiden Wochen war und sich mit dem Skipper in Norfolk verabredet hatte, mangels genauer Ortskenntnisse aber eben auch kein genauer Treffpunkt ausgemacht werden konnte. Nachdem dieses soweit alles geklappt hatte, fuhren wir dann alle Mann mit dem Auto zum Schiff zurück um mit großer Unlust unsere Sachen zu packen und alles für die Abreise vorzubereiten.

Am nächsten Morgen ging es dann nach dem Frühstück per Auto zurück zum Airport Baltimore/Washington. Frustrierend war nur, dass wir die Strecke, die wir unter Segeln in zwei Wochen genießerisch abgesegelt hatten, in nur 5 Stunden auf dem Highway bereits wieder bewältigt hatten.
Insgesamt war dieser Törn ein wunderbares Erlebnis, bei dem wir neben einer z.T. noch unberührten Natur und vielen Stunden genüsslichen Segelns auch viele nette amerikanische Städtchen und freundliche Menschen kennen gelernt haben.


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