Atlantik-Törn und detaillierter Reisebericht (Mai/Juni '01)

Irgendwann hatte ich Lust, neben dem Binnensegeln und den Küstentörns einmal einen größeren und interessanten Langstreckentörn zu machen. Damit hieß das Ziel nun für mich: Hinaus auf die Hochsee!

Für eine komplette Atlantiküberquerung, die ich mir schon länger vorgestellt hatte fehlte mir die Erfahrung, insbesondere was mein Verhalten (und mein Wohlbefinden) bei einem längeren und ununterbrochenen Aufenthalt auf See betraf.
Ein Törn von ca. 2 Wochen Dauer, bei dem "richtiges" Hochseesegeln eingeschlossen war, wäre genau das richtige. Die Gelegenheit bot sich, als Schönicke Skipperteam in Hamburg einen 3-wöchigen Törn von den Azoren bis nach Hamburg anbot. Hier war alles enthalten was ich mir vorgestellt hatte: Azoren - Atlantik - Süd-England - Engl. Kanal - Nordsee - Elbe - Hamburg. Nach Klärung des Urlaubs und Buchung des Fluges und der Koje ging es dann Ende Mai 2001 wirklich los.

Der Törn war absolut super und hat alle meine Erwartungen voll erfüllt (Natürlich ist die Erinnerung an die Tage und Nächte, die ich völlig durchnässt im Regen am Steuer stand inzwischen etwas verblasst und hat damit einen Teil der weniger schönen Erinnerungen verdrängt).

Den Reisebericht in Form meines Tagebuches könnt ihr hier nachstehend lesen.

Reisebericht / Tagebuch zu meinem Segeltörn vom 19.5. - 9.6.2001 Horta/Azoren - Hamburg

Samstag, 19.5.2001:
Um 3.00 Uhr aufgestanden und reisefertig gemacht. Um 4.00 Uhr bringt mich meine Frau nach Düsseldorf. Obwohl hier morgens um 5.00 Uhr natürlich noch nichts los ist, drängeln einige wenige Fluggäste am Eincheck-Schalter, als wenn sie Angst hätten das Flugzeug zu verpassen. Nach dem einchecken geht es zum Security Check. Erwartungsgemäß will mir eine Dame die Gaspatrone meiner eigenen mitgenommenen Rettungsweste abnehmen. Die anderen Kollegen wissen aber Bescheid und so ist das Thema schnell erledigt.
6.10 Uhr Abflug nach Brüssel. Nach ca. 40 Min. sind wir schon da und ich habe erst mal 3 Std. Aufenthalt, die ich müde und dösend in der Wartehalle verbringe.
Um 10.15 Uhr geht es einigermaßen pünktlich weiter nach Lissabon. Wieder 3 Std. Aufenthalt und ich überlege mir, ob ich kurz in die Stadt fahren soll, die ich von einem früheren Besuch her schon kenne und die mir sehr gefällt. Ich lasse es dann aber doch um nicht unnötigen Streß zu machen. Dieses Mal hat beim Security Check niemand etwas gegen meine Gaspatrone, dafür wird mir der Marinezirkel als spitzer, waffenähnlicher Gegenstand abgenommen. Ich soll ihn später in Horta zurückbekommen.
Also dann, 15.00 Uhr weiter nach Horta, wo wir um 16.40 ankommen sollen. Beim Abflug und über den Wolken ist wie immer strahlender Sonnenschein, die Wolkendecke wird aber während des Fluges immer dichter. Nach der Landung im strömenden Regen stellen wir fest, daß wir nicht in Horta auf Faial sondern in Loja auf Terceira gelandet sind. In Horta ist so schlechtes Wetter, daß der Pilot dort nicht landen kann. Der Flughafen mit dem weitläufigen Militärteil kommt mir irgendwie bekannt vor und ich erinnere mich, daß wir hier mit BWIA auf dem Flug nach Antigua zum Tanken zwischengelandet sind. Nachdem wir eine Weile im Flugzeug gewartet haben werden wir erst mal ins Flughafengebäude gefahren. Nach einer weiteren Stunde mit kräftigen Schauern in der ich meinen ersten Mitsegler Torsten kennen lerne geht's wieder in die Maschine. Der Pilot wartet auf die neuesten Wetternachrichten. Nach einer weiteren halben Std. die Entscheidung, nach Lissabon zurückzufliegen, weil Horta wegen Regenschauern und total schlechter Sicht nicht angeflogen werden kann. Also ist es nichts mit dem berühmten Azorenhoch, deshalb wieder gestartet und zurück. Gegen Mitternacht kommen wir wieder in Lissabon an. Busse stehen bereit um uns in ein Hotel zu fahren. Das Gepäck nehmen wir gar nicht erst mit zurück und hoffen, daß es morgen wieder in den richtigen Flieger verladen wird. Nach dem zu erwartenden Gedrängel beim Einchecken im Hotel teilt man uns mit, daß wir um 6.00 Uhr geweckt und anschließend wieder zum Flughafen gebracht werden sollen. Um 1.30 Uhr liege ich endlich todmüde im Bett und schlafe auch sofort ein. Ich habe zwar voller Optimismus und Vertrauen in den Flugplan keine Wäsche zum wechseln und für die Nacht mitgenommen aber wen stört das jetzt schon noch?

Sonntag, 20.5.:
Um 7.20 Uhr werde ich wach und stelle mit Schrecken fest, daß man mich vergessen hat. Ein Anruf bei der Rezeption klärt die Lage: Das Wetter in Horta ist immer noch schlecht, so daß der Abflug nochmals verschoben werden muß und niemand geweckt wurde. Also gehe ich erst mal ausgiebig duschen, steige in meine Klamotten und gehe zu einem umfangreichen und exzellenten Buffet-Frühstück. Nach der Stärkung und div. Kaffees geht's mir erst mal besser und ich warte mit der Gruppe vor dem Hotel in schönstem Sonnenschein auf neue Nachrichten. Gegen 10.00 Uhr kommt die Aufforderung, mit Taxis zum Flughafen zu fahren. Geplante Abflugzeit 11.30 Uhr. Wir haben noch die Transitkarten, die man uns bei der Ankunft gegeben hatte und sind auch schon alle eingecheckt. Also wieder durch den Security Check zum Gate. Anflug auf Horta
Mein Zirkel ist natürlich nicht da. Um 12.00 Uhr heben wir dann endlich wieder ab. Dieses Mal klappt alles und wir landen gegen 14.30 Uhr in Horta. Der Anflug ist interessant und durch die Wolkenlücken bekomme ich einen ersten Eindruck von der Insel und sehe kurz den Hafen. Die Rollbahn und der Flughafen sind tatsächlich wesentlich kleiner als auf der Militärbasis in Loja und aufgrund der Lage an den Klippen sicher auch nicht für Anflüge bei schlechter Sicht geeignet. Aber gut, wir sind endlich da.

Unser Gepäck kommt auch recht früh und ist vollzählig. Der Zirkel ist natürlich wieder nicht da. Angeblich hätte ich ihn in Lissabon wieder abholen sollen, aber da war er ja auch nicht. Also nicht länger warten und unter Schwund verbuchen. Kurz nach uns landete eine zweite Maschine aus Lissabon in der die anderen Segler ankamen, die planmäßig in Lissabon übernachtet hatten. Torsten erkannte seinen Freund Björn und der hatte schon wieder andere Mitsegler kennen gelernt. Dann haben wir Taxis organisiert und sind nach Horta bis in den inneren Hafen gefahren.

Horta, Hafen Die Atmosphäre der Stadt mit der interessanten Architektur, den vielen Segelschiffen, den bunt bemalten Kaimauern und diesen relaxten Langfahrtseglern ist schon sehr beeindruckend. Wir finden die Thea relativ schnell und schleppen unser Gepäck ein Stück die Kaimauer entlang. Das Schiff liegt als drittes im Päckchen. Mit einer langen Personenkette reichen wir das Gepäck von Hand zu Hand an Bord. Dann lassen wir uns erst mal nieder, machen uns mit dem Skipper bekannt, trinken ein Welcome-Bier und konstatieren, dass wir unter Österreicher Flagge segeln werden.

Horta, Hafen Danach Kojenverteilung und Gepäck einräumen. Da sich je zwei Mitsegler schon kennen und eine Kajüte teilen wollen bleibt für mich die Backbord-Vorschiffskammer. Gar nicht so schlecht, da habe ich etwas mehr Platz zum Bewegen und Stauen. Torsten staut noch etwas Wäsche in den Schapps auf meiner Seite und seine Reisetasche in der zweiten Koje und dann sind wir für den Anfang erst mal klar. Danach machen wir bei zunehmend freundlichem Wetter erst mal einen Bummel durch die Stadt und schauen uns etwas um.

Peter Cafe Sport, Horta Für 18.00 Uhr haben wir uns mit Skipper Konrad und seiner Frau im Peter Cafe Sport, dem (!) Seglertreff in Horta verabredet. In Peters Cafe Sport Wir schauen uns kurz in der überfüllten Kneipe um und setzen uns dann mit unserem Bier auf die Straßenrandmauer und schauen über die Stadt und den Hafen. Es ist ein herrliches und beeindruckendes Panorama. In einigen Meilen Entfernung sehen wir die Insel Pico, die ihren hohen Vulkan unter einer großen Wolkenhaube verborgen hat. Im Hafen liegen Schiffe aller Nationalitäten, Größen und Arten, u.a. einige Superyachten und ein Mega-Kat. Außerdem ankert die Endeavor, eine der letzten legendären J-Klasse-Yachten mitten im Hafen. Ein schöner Anblick auf ein traumhaftes Schiff. Leider komme ich nicht nah genug heran um genaueres sehen zu können. Später gehen wir dann in ein portugiesisches Restaurant und essen sehr gut und preiswert. Nach einem Absacker im Cockpit gehe ich zum ersten Mal in meine Koje und schlafe sofort ein.

Montag, 21.5:
Nach der ersten Nacht machen wir ein gutes Frühstück an Bord. Anschließend werden die weiteren Aktivitäten besprochen. Heute wird nicht mehr ausgelaufen, das würde zu hektisch werden. Nach dem Frühstück werden die Vorlieben der Mitsegler bezügl. Essen diskutiert und eine Proviantliste aufgestellt. Anschließend fahren wir zu dritt zum Einkaufen in einen Supermarkt. Die Einkäufe für die nächsten zwei Wochen. Die Sucherei nach den Sachen und die Auswahl dauert fast zwei Stunden. Dann stehen wir mit 4 voll bepackten Einkaufswagen an der Kasse. Wir haben incl. Getränken und Trinkwasser für ca. DM 770 eingekauft, was offensichtlich aufgrund der Erfahrung des Skippers bei den Mengen noch recht preiswert war. Ein Fahrer vom Supermarkt bringt uns mit einem Kastenwagen kostenlos zur Pier. Das Ausladen geht mit der Kette von Hand zu Hand wieder recht flott aber das Stauen dauert wiederum eine Weile. In der Zwischenzeit hat Konrad die bestellten neuen Unterwanten abgeholt, weil bei der ersten Etappe der Atlantik-überquerung ein Rodwant gebrochen war und er beide ersetzen will. Die Wanten passen und das Einsetzen und Spannen dauert nicht sehr lange. Nachdem Konrad seine Frau, die heute nach Hause fliegt, zum Flughafen gebracht hat machen wir erst mal eine detaillierte Einweisung in's Schiff. Segel, Ruderanlage, Maschine, Toiletten, Kombüse, Seeventile, Navigation und anderes mehr wollen gefunden und sachgerecht bedient werden. Anschließend noch einmal ein Check, welche Lebensmittel und andere Sachen noch fehlen. Dann macht sich die zweite Einkaufsgruppe auf den Weg in einen anderen Supermarkt und zum Metzger. Schließlich haben wir unseren Proviant ziemlich komplett und verstaut.
Noch mal einen Bummel durch die Stadt, bei Peter noch Kappen, T-Shirts, Feuerzeuge und sonstige Souvenirs gekauft und der Nachmittag ist auch schon fast herum.
Torsten hat sich inzwischen entschlossen, sich auch eine Kurzhaarfrisur zuzulegen. Konrad hat einen Bart- und Langhaarschneider an Bord und so ist es für Björn keine große Aktion, Torsten eine neue Frisur zu verpassen. Nach den ersten Schneisen durch das volle Haar sieht Torsten fast wie ein Irokese aus. Nach getaner Arbeit hat er eine noch kürzere Frisur als ich, kommentiert das ganze mit ein paar Sprüchen in kräftiger Hamburger Mundart und ist erst einmal zufrieden.
Zum Abendessen gehen wir wieder in das portugiesische Restaurant. Das Essen ist wieder sehr gut und wir genießen die Aussicht auf den Pico. Anschließend noch ein Absacker in der Hafenbar und dann gehen wir zufrieden und müde in die Koje.

Dienstag, 22.5.:
Nachdem wir in Ruhe ausgeschlafen haben, machen wir erst einmal ein ausgiebiges Frühstück. Da heute ausgelaufen wird, sind anschließend alle noch einmal ausgiebig und in aller Ruhe zum Duschen gegangen. Im Preis von Esc. 300 = DM 3 ist nicht nur die Benutzung der Dusche sondern auch ein Stück Seife und ein großes Badetuch zur Benutzung enthalten. Diese Dusche muß jetzt erst einmal für einige Tage reichen. Anschließend machen wir noch einen kleinen Bummel durch die Stadt und schießen noch einige Fotos.
Konrad erledigt inzwischen die letzten Formalitäten wie Gas holen, Marina bezahlen und ausklarieren. Er kommt mit der Nachricht zurück: Auslaufen heute 13.30 Uhr. Ich mache noch einen kleinen Bummel zur Capitaneria und zum Immigration-Office und hole mir zwei Stempel als Souvenir für mein Meilenbuch. Um 13.30 Uhr geht's dann wirklich los. Der große Törn beginnt!

Das Wetter ist freundlich und der Wind zwischen den Inseln noch mäßig. Konrad hat aufgrund der aktuellen Windbedingungen beschlossen nach Norden, an Pico und Terceira vorbei zu segeln und später den Kurs auf NNO anzupassen. Endlich segeln wir! Konrad hat inzwischen den Wachplan für die ganze Truppe aufgestellt. Da er sich an den regulären Wachen beteiligen will fahren im Wechsel Torsten und Björn, Eberhard und Roland und Konrad und ich. Die erste Wache für uns steht von 16-20 Uhr auf dem Plan. Eberhard hat mit dem frisch eingekauften Hackfleisch Chili con Carne gekocht. Weil es so gut schmeckt esse ich eine gute Portion davon, die mir natürlich prompt schwer im Magen liegen. Zuerst quäle ich mich eine Weile mit Magendrücken und Blähungen herum. Später trinke ich eine Dose Cola, was eine kurzfristige Reaktion meines Magens mit schnellster Entleerung rückwärts nach sich zieht. Zumindest geht es mir jetzt deutlich besser. Die Schiffsbewegungen sind durchaus noch moderat und so gehe ich zum ersten mal auf See in meine Koje und werde in den Schlaf geschaukelt.

Mittwoch, 23.5.:
Heute ist die erste Nachtwache von 5-8 Uhr fällig. Björn weckt mich um 4.45 Uhr und ich steige schlaftrunken und wackelig in meine Sachen. Konrad ist auch schon auf und so treten wir unsere Wache an. Zuerst steuere ich eine Stunde, dann Konrad. Die letzte Stunde teilen wir uns, so daß die Zeit doch einigermaßen schnell vorbei geht.
Das Wetter ist inzwischen recht miserabel. Anstatt des berühmten Azorenhochs haben wir ein schönes Tief mit Regen und wir müssen erst einmal eine Weile gegenan. Das macht besonders viel Laune, wenn man im Cockpit steht und permanent begossen wird. Die schönen Wetter- und Windvorhersagen vom Hafenmeister und aus dem Internet stimmen alle nicht. Eberhard fällt im Laufe des Tages mit Seekrankheit aus und verzieht sich in seine Achterkajüte, was zur Folge hat, daß Roland die nächsten Tage im Salon schläft und wir einen Wachgänger weniger haben. Konrad macht einen neuen rotierenden Wachplan entsprechend unserer reduzierten Mannschaft. Nach den Problemen mit dem Chili habe ich heute wenig gegessen und getrunken. Mir tut der Rücken im Nierenbereich etwas weh. Ich weiß aber nicht, ob das Muskelkater ist oder vom wenigen Trinken kommt. Also esse ich erst einmal eine Schnitte mit Marmelade und trinke etwas dazu. Auf mehr habe ich im Augenblick keinen Appetit.
Ich bekomme allmählich immer mehr Hunger auf Süßes. Offensichtlich ist das ein Zeichen dafür, daß die Muskeln aufgrund der fast permanenten Anspannung durch das Ausbalancieren der Schaukelei mehr Zucker brauchen. Die nächste Wache habe ich von 16-20 Uhr. Inzwischen ist das Seezeug doch recht naß, aber das Wetter hat sich wenigstens teilweise aufgeklart und es regnet kaum noch. Es ist nun zwar einigermaßen kühl aber nicht mehr so unangenehm. Kurz nach der Wache gehe ich wieder in die Koje denn die nächste Wache ist nicht mehr weit entfernt.

Donnerstag, 24.5.:
Von 2-6 Uhr bin ich wieder an der Reihe. Also wieder raus aus dem warmen Schlafsack und bei Müdigkeit und schaukelndem Schiff wieder in die nassen Klamotten gestiegen. Gott sei Dank wird der Regen weniger, so daß das Ölzeug nicht mehr weiter durchweicht. Durchweg naß und unangenehm ist es sowieso schon. Bei fast absoluter Dunkelheit, ohne Positionslaternen und nur unter Kompaßbeleuchtung sehen wir eine eindrucksvolle helle, neon-grüne Schleppe von Meeresleuchten in unserem Kielwasser. Hier gibt es also reichlich Plankton, das durch die Reibung am Schiff und die Verwirbelungen an Propeller und Ruder zum Leuchten angeregt wird. Die Wache geht ohne irgendwelche interessanten Vorkommnisse einigermaßen gut herum. Also wieder heraus aus dem nassen Zeug und wieder ab in die Koje. Dieses Mal habe ich Zeit bis 12 Uhr. Also erst mal gemütlich ausschlafen. An die Schaukelei habe ich mich inzwischen schon gut gewöhnt. Ich befestige das Leesegel vor meiner Koje und lege mich beruhigt zum Schlafen. Gegen 11 Uhr stehe ich wieder auf und esse erst einmal zwei Marmeladenbrote! Kaffee und Tee hat die Morgenwache gekocht, also kann ich mich mit dem Vorhandenen erst mal bedienen. Das Barometer steigt wieder deutlich, was auf besseres Wetter aber auch weniger Wind hindeutet. Unseren Skipper entzückt das nicht so sehr. Klamotten trocknen ... Nachmittags sitzen wir bei schönstem Sonnenwetter im Cockpit und segeln mit Schwachwind weiter. Wenigstens gibt uns das die Gelegenheit, die Sachen alle wieder zu trocknen. Also raus mit dem immer noch feuchten Ölzeug und über das ganze Schiff verteilt. Die Wellen sind sehr moderat, so daß kein Wasser überkommt. Das ist nun herrliches Kaffeesegeln, nur leider kommen wir so kaum voran. Am Nachmittag kocht Konrad Spaghetti mit Tomatensauce. Ich habe mich inzwischen voll an den Rhythmus auf See gewöhnt und esse mit großem Appetit. Anschließend habe ich das Geschirr weggespült, um mich auch an den notwendigen allgemeinen Verrichtungen zu beteiligen. Dann gehe in meine Koje. Anschließend haben wir wieder Nachtwache, dieses Mal von 20-22 Uhr. Heute ist es wenigstens teilweise klar, so daß man wenigstens bis zum Horizont sehen kann, obwohl es auch dort nichts zu sehen gibt. Immerhin hat der Wind wieder gut zugelegt, so daß wir nun mit satten 8kn am Wind rauschen. Kurz nach der Einweisung der neuen Wache verziehe ich mich in meine Koje und schlafe auch sofort ein.

Freitag, 25.5.:
Trotz der Schaukelei und der permanenten Lage am Wind habe ich sehr gut geschlafen. Ich bin doch froh, daß ich eine eigene Kabine habe. Da habe ich doch etwas mehr Bewegungsfreiheit und Platz, meine Sachen aufzuhängen und abzulegen. Wieder ein Frühstück im Stehen mit Marmeladen-Butterbroten und Kaffee. Lange Dünung Ich habe immer mehr Hunger auf Süßes. Zwischendurch esse ich auch gelegentlich einen Apfel oder eine Banane, wenn der kleine Hunger kommt. Die nächste Wache liegt von 8-12 Uhr an. Der Wind hat gedreht und wir haben inzwischen eine mächtige Schaukelei bei 25kn Wind von raumschots. Dabei baut sich eine richtige Atlantikdünung mit ca. 4-5m hohen aber sehr langen Wellen auf. Ich habe mich so sehr an den Atlantik gewöhnt, daß mir das alles nichts mehr ausmacht. Ich habe auch gut ausgeschlafen und bin richtig fit. Bei nassem Wetter gibts frischen Kaffee! Nach der Wache koche ich bei richtig Lage noch Kaffee, während Konrad frisches Brot backt. Roland ist inzwischen auch schlecht drauf. In einer der letzten Nachtwachen ist es so naß geworden, daß er sich eine schöne Erkältung geholt hat und mit leichtem Fieber und Kreislaufproblemen in der Koje liegt. Obwohl ich am Nachmittag eigentlich wachfrei habe, habe ich viel für die anderen Kollegen gesteuert. Wir haben zur Abwechslung mal hellen Sonnenschein, schönes Wetter und segeln immer noch raumschots. So macht Segeln in der hohen Atlantikdünung richtig Spaß.

Gelegentlich geht mir der Törn, die Vorbereitungen und die ganzen Randbedingungen nochmal durch den Kopf. Die Entscheidung zu dem Törn war auf jeden Fall absolut richtig. Ich habe viel Spaß daran trotz des wechselhaften Wetters und der wiederkehrenden Aufgaben und Wachen. Insbesondere bei miesem Wetter reduzieren sich die persönlichen Bedürfnisse wirklich auf Schlafen, Ruderwache gehen und zwischendurch essen, was einem in die Hände fällt: ein Butterbrot, ein Apfel, eine Banane bzw. was ein netter Mitsegler gekocht hat. Trotzdem vermisse ich im Moment gar nichts und die Arbeit, das Zuhause und alles andere ist so weit weg und völlig unwichtig. Bei den Nachtwachen hat man nur manchmal ein wenig Zeit zum Träumen. Mit 8kn in die stockdunkle Nacht zu segeln und nur die Kompaßbeleuchtung zu sehen ist schon etwas schwierig. Da muß man sich ziemlich konzentrieren um das Boot einigermaßen auf Kurs zu halten. Dabei wird einem die Zeit nicht so lang. Wenn man aber unter sternenklarem Himmel segelt, das fast gleichmäßige Rauschen des Wassers am Rumpf hört und das Meeresleuchten im Achterwasser beobachten kann ist man mit sich und der Welt wieder voll zufrieden.

Konrad hat heute wieder Brot gebacken, weil das gekaufte trotz oder vielleicht wegen der luftigen Aufbewahrung in der Hängematte, allerdings mit der entsprechenden Feuchtigkeit im Schiff, schon schimmelig war. Zum Abendessen hat er Dosenfleisch mit Zigeunersoße und Reis gekocht. Alle sind mit seinen Kochkünsten zufrieden und haben entsprechend richtig reingehauen. Die nächste Wache steht von 18-22 Uhr an. Im Moment fährt Björn für mich. Habe mir heute in der Sonne wohl etwas das Gesicht und den Kopf angebrannt. Bei dem kühlen Wind habe ich natürlich nichts gemerkt. Eberhard schaut tagsüber gelegentlich um die Ecke, kotzt und legt sich wieder hin. Manchmal hört man ihn auch nur in seiner Kabine über einem Eimer würgen. Der arme Kerl kann einem schon leid tun. Roland schläft auch schon wieder, allerdings im Salon. Bei Lage und mit Eberhard gemeinsam in der Achterkoje geht das nicht. Wenn Roland auch noch ausfällt, kriegen wir mit den Wachen ein Problem. Gott sei Dank macht der Skipper mit, so daß wir wenigstens zu viert richtig fit sind. Aber der jetzige Rhythmus mit 4 Std. Wache und 6 Std. frei läßt sich zu viert auf Dauer auch nicht so gut durchhalten. Nach der Wache um 22 Uhr habe ich mich sofort "auf den Bock gehauen" wie Torsten immer sagt und bin auch sofort eingeschlafen. Nach dem relativ langen Tag war ich doch sehr müde.

Samstag, 26.5.:
Von 4-8 Uhr liegt wieder die nächste Wache an. Wir haben schon wieder Regen, eine mäßige Backstagsbrise und steuern schon wieder in feuchten Klamotten. Bei Beginn der Nachtwachen ist niemand so richtig gut drauf. Ein typischer Dialog beim Wachwechsel geht ungefähr wie folgt und wiederholt sich fast täglich:

    Neue Wache schaut noch müde und frierend den Niedergang hoch: Moin!
    Alte Wache steuert: Moin!
    N: Wie sieht's aus?
    A: Geht so!
    N: Wie ist die Kleiderordnung?
    A: Ist saukalt und naß. Brauchst dicke Pullover und volles Seezeug mit Stiefeln.
    N: O.K. (Zieht sich an).
    N: Kommt wieder hoch und zieht die Kapuze über: Ist wieder 'ne ganz schöne Schaukelei heute.
    A: Nicht so schlimm, läßt sich ganz gut steuern.
    N: Gut. (Pickt die Lifeline ein). Welcher Kurs?
    A: Immer noch 70°
    N: (übernimmt) O.K. Hab' ihn.
    A: Ich hau' mich hin. Nach euch sind sind ... und ... dran.
    N: Alles klar. Gute Nacht.
    A: Gute Nacht.
Roland ist inzwischen mit schwerer Erkältung komplett ausgefallen. Dafür steht plötzlich Eberhard um kurz vor 8 Uhr da und will die Wache für Roland zu fahren. Er hat zwar seine Seekrankheit noch nicht überstanden, quält sich aber durch die Wache. Nach meiner Wache habe ich mich um 8 Uhr sofort wieder hingehauen und fast bis 13 Uhr geschlafen. An den Rhythmus und das Schaukeln habe ich mich gut gewöhnt, so daß ich wunderbar schlafe. Nach dem ausgiebigen Schlaf geht's wieder und ich bin wieder völlig fit. Nach einem Stehfrühstück geht's um 14 Uhr gleich wieder ins nasse Ölzeug und wieder in den Regen. Wenigstens fahren wir seit 2 Tagen einen Halbwindkurs und ohne Probleme in die richtige Richtung. Nachdem ich schon seit 2 Tagen huste, habe ich seit gestern Neo-Angin Lutschtabletten aus der Bordapotheke genommen. Die Dinger sind zwar in der Karibik weich geworden und kleben an der Alufolie, aber sie helfen noch und jetzt geht's mir deutlich besser. Die fast permanente Feuchtigkeit und der Regen sind mir wohl auch nicht so gut bekommen. Torsten hat heute seine Fantasie walten lassen und einen Blumenkohl-Kartoffeleintopf gekocht. Ich habe anschließend gespült. Jetzt muß ich noch die letzte Stunde von 17-18 Uhr ans Ruder, dann habe ich wieder 6 Stunden frei. Es ist doch erstaunlich, was bzw. wie wenig einem beim Rudergehen durch den Kopf geht. Alles trübe ... Das Leben reduziert sich wirklich auf den sichtbaren Tellerrand und der ist heute nur grau in grau, diesig und verregnet, d.h. vielleicht 1sm im Umkreis. Hin und wieder taucht ein Schwarm Delphine auf, schwimmt eine Weile mit uns oder um das Schiff herum und verschwindet wieder. Am 3. Tag kam ein kleiner Wal nahe ans Schiff, holte Luft und verschwand dann wieder. Am Horizont haben wir mehrere, offensichtlich größere Wale blasen gesehen. Leider sind wir nicht näher heran gekommen. Bis heute haben wir schon 565 sm geschafft. Bis Dartmouth bleiben allerdings noch ca. 700sm. Von da an sind es dann noch einmal ca. 600sm, d.h. noch einmal ca. 4-5 Tage. Jetzt werde ich mein Glas Horta-Rotwein austrinken und mich in meine Koje verziehen.

Sonntag, 27.5.:
Heute habe ich eine Hundewache von 0-4 Uhr. Ich komme wieder mal schwer aus der Koje. Bei Dunkelheit, Müdigkeit und Schlingern des Schiffes dauert das Anziehen des klammen Zeuges eine glatte Viertelstunde. Heute gibt es gute und schlechte Nachrichten. Eine gute ist: Ich huste schon viel besser. Eine schlechte ist: Ich habe mir offenbar den Ischias erkältet. Die rechte Hüfte und das rechte Bein tun ganz schön weh (was sich später zu Hause als leichter Bandscheibenvorfall herausstellt). Ausnahmsweise regnet es heute nacht mal nicht aber dafür dümpeln wir mit 2-3kn in einer fürchterlich diesigen Suppe. Roland liegt immer noch mit seiner Erkältung flach und kommt kaum richtig zur Ruhe. Eberhard ist für eine Wache ebenfalls kaum zu gebrauchen. Also mußten wir die Nachtwachen wieder ändern. Erst bin ich 1/2 Std. länger gefahren, dann Konrad alleine, allerdings mit Maschine, Autopilot und unter Radar. Damit war Eberhards erste Stunde wieder überbrückt. Die zweite Stunde mußten Torsten und Björn herausfahren. Die beiden sind bis jetzt einfach unverwüstlich. Nach der Wache bin ich sofort wieder in die Koje gegangen und auch bald eingeschlafen. Allerdings träume ich bei den kurzen Nächten und dem vielleicht fehlenden Tiefschlaf einen furchtbaren Blödsinn.
Bin heute erst um 9.30 Uhr aus der Koje gekrochen. Bei der Schaukelei und dem Ischias ist das Pinkeln, Zähneputzen und die Katzenwäsche eine richtige Qual. Außerdem läuft das Wasser bei der Lage nicht in das Waschbecken sondern dahinter. Unser Salon sieht inzwischen aus wie ein mittleres Zigeunerlager.

Von 10-14 Uhr geht's wieder ans Ruder. Heute haben wir ca. 20-22kn Wind und wieder mächtig Welle, aber wenigstens ist es trocken. Mit 8kn über Grund holen wir wieder gut auf. Nach der Wache geht's an's Kochen: Ich schäle Möhren u. Paprika und Björn Knoblauch und Zwiebeln. Konrad hat Nasi Goreng gekocht. Außerdem hat er einen neuen Wachplan gebastelt, der auf 4 Personen zugeschnitten ist. Roland liegt mit Erkältung und Seekrankheit mehr tot als lebendig in seiner Achterkoje und Eberhard hält es nur im liegen im Salon einigermaßen aus. Also dann: Von 18-22 Uhr Wache und von 2-6 Uhr. Ab Montag dann tagsüber 6Std. Wache, nachts 4Std. mit je 4Std. frei.

Heute sind wir gut vorangekommen. Zum Schluß mit dem 3.Reff im Groß und kleiner Genua mit immerhin noch 7kn über Grund bei Wind um 20kn. Das hat einiges von der langsamen Fahrt von gestern wieder wett gemacht. Es ist zwar noch beachtliche Dünung aber es läßt sich relativ gut steuern. Es regnet auch nicht, obwohl der Himmel immer noch grau und verhangen ist. Damit werden wir auch einen Teil der Feuchtigkeit im Schiff wieder los.
Inzwischen sind wir schon 720sm gesegelt. Damit haben wir schon über die Hälfte bis England geschafft. Wenn man die Route nicht auf dem GPS graphisch verfolgen könnte, würden die Tage und Stunden einfach so gleichmäßig in der Routine vergehen und man würde den Bezug zur Außenwelt irgendwann völlig verlieren. Die Notizen helfen mir auch dabei, die vielen Gedanken und Eindrücke festzuhalten die sich trotzdem immer wieder neu ergeben und damit die Tage nachvollziehbar zu machen. Gestern nacht haben wir zum zweiten Mal einen vorbeifahrenden Frachter angefunkt und nach dem Wetter gefragt. Die Prognose war nicht besonders günstig, aber bisher stimmte sie ebenso wenig wie die Vorhersagen in Horta. Gerade kommt mal wieder ein hellerer Fleck am Himmel zum Vorschein. Vielleicht reißt es ja doch noch auf. Bei klarem Nachthimmel segelt es sich neben dem schönen Anblick doch wesentlich angenehmer als in völliger Dunkelheit. Nach der Spät-Wache sofort in die Koje und wieder gut geschlafen.

Montag, 28.5.:
Heute wieder Nachtwache von 2-6 Uhr. Es macht nicht so richtig Spaß: Erstens taugt das frühe Aufstehen nicht und zweitens ist es wieder mal regnerisch und die Klamotten sind wieder komplett naß. Irgendwie geht auch diese Wache, inzwischen in der Routine, um und ich haue mich ganz schnell wieder hin.
Heute sind wir in ein kräftiges Hoch mit 1028hPa gesegelt. Wir haben ausnahmsweise einmal schönen Sonnenschein aber auch eine ziemliche Flaute. Wenigstens gibt uns das Wetter einmal die Gelegenheit zum entspannen, sonnen und bei ruhigem Wetter mal wieder div. Dinge zu sortieren und im Schiff aufzuräumen. Nebenbei holt jeder seine immer noch feuchten Sachen an Deck und breitet alles sehr dekorativ zum Trocknen aus. Bei ganz schwachem Wind haben wir die Genua gegen den größeren und leichteren Gennaker getauscht, aber auch das bringt nichts. Er fällt immer wieder ein. Also alles wieder zurück, Segel ganz herunter genommen und die Maschine angeworfen. Essensvorbereitungen Wir fahren unter Autopilot und basteln nebenbei eine neue Mastnutabdeckung zum Übergleiten für die Mastrutscher. Anschließend habe ich unsere frische Ananas geschält und Abendessen vorbereitet: Es gibt ein Fantasiemenue: kleingeschnittene Würstchen mit Speck, Zwiebeln, Champignons und Eiern. Scheint aber nicht schlecht geworden zu sein denn alle machen sich mächtig darüber her. Am Abend gehen wir in den neuen Wachenrhythmus über, d.h. ich verschwinde ziemlich bald in meiner Koje. Als ich zur Wache aufstehe, habe ich den Sonnenuntergang natürlich verpaßt, aber ein roter Abendhimmel ist noch zu sehen. Mein Ischias nervt mich immer noch sehr, dafür ist wenigstens der Husten weg. Wir haben fast glatte See und fahren immer noch unter Maschine, die immer noch vor sich hin dröhnt und auf Dauer doch ganz schön nervt. Gut, daß ich eine Vorschiffskajüte habe und nicht neben dem Motorraum schlafen muß. Bei diesem ruhigen Wetter hat Konrad kürzere Ein-Personen-Wachen beschlossen, so daß die Wach- und Ruhezeiten durchaus akzeptabel sind. In der Dunkelheit spiegelt sich wieder der zunehmende Mond im Achterwasser. Wenn der Tau nicht wäre, könnte ich meine Wache von 22-24 Uhr unter fast sternenklarem Himmel im Cockpit verbringen und die Unmenge an Sternen bestaunen. So beschränke ich mich darauf, die Wache zwischen Niedergang und Salon zu verbringen, den Motor und den Autopiloten zu überwachen und gelegentlich mal die Nase für einen Rundblick nach draußen zu strecken. Ausnahmsweise ist das Ölzeug auch einmal trocken und ich gehe die erste Wache in Bootsschuhen statt Seestiefeln. Mit einem Glas Horta-Rotwein aus der großen Kruke kann ich die Zeit ganz gut überbrücken. Das GPS zeigt auf dem Farbdisplay eine kleine Übersichtskarte und unsere aktuelle Position als kleinen Kreis mit dem Kurs auf den Wegepunkt nahe Falmouth. Inzwischen sind wir schon 870sm gesegelt (bzw. motort). Bis Falmouth sind es noch ca. 380sm.
So vergehen die Tage mit Wache gehen, schlafen, kochen, essen und Tagebuch schreiben. Am Anfang hat die Eingewöhnung doch einige Tage gedauert. Inzwischen hat sich der Rhythmus eingespielt. Ich merke das auch daran, daß meine Texte allmählich ausführlicher und länger werden. Ansonsten gibt es nicht allzu viel Abwechslung. Das Highlight des Tages ist immer wieder die Katzenwäsche und das Zähneputzen in der engen Toilette mit der entsprechenden Schaukelei. Das Segeln ist immer noch sehr interessant und macht viel Spaß. Inzwischen haben wir fast alle Wettervarianten mit mehr oder weniger Wind, Regen, Sonne etc. gehabt. Von Stürmen und anderen Widrigkeiten sind wir bisher Gott sei Dank verschont geblieben.

Dienstag, 29.5.:
Die letzte Nachtwache war trocken und kurz. Nachdem der Dieselvorrat im Haupttank deutlich dem Ende zugeht, haben wir am Morgen 65 ltr. Diesel aus den Reservekanistern nachgetankt. Wenn wir so weiterfahren müssen, reicht der Diesel ohne die eiserne Reserve noch bis Mittwoch früh, 8.00 Uhr. Wenn dann kein Wind aufkommt, ist dümpeln und warten angesagt. Wir sitzen bei bedecktem Himmel immer noch im Hoch bei 1025 hPa und laufen immer noch ununterbrochen unter Maschine und Autopilot. Dummerweise ziehen Hochs auch noch wesentlich langsamer als Tiefs, so daß wir wahrscheinlich immer schön mit dem Hoch mitfahren. Ich hätte nie geglaubt, daß man sehnsüchtig auf ein Tief warten kann. Alle 15min. ein Blick nach draußen auf den gleichmäßig bedeckten Himmel und aufs Radar. Es gibt nichts neues, also immer weiter unter Maschine geradeaus. Habe erst einmal ausgiebig gefrühstückt. Anschließend habe ich die bisherigen Positionsdaten aus dem Logbuch übernommen und als Erinnerung in meine privaten Seekarten übertragen. So kann ich die Route zusammen mit meinen Aufzeichnungen später ganz gut nachvollziehen. Parallel dazu habe ich mein GPS eingeschaltet und Positionen für die Kartenarbeit genommen. Roland und Eberhard sind wieder einigermaßen fit und üben Sextantenmessungen. Eberhard hat letzte Nacht auch 2 Std. Wache gemacht, so daß bei der konstanten Maschinenfahrt nur kurze Einzelwachen pro Person erforderlich waren. Jetzt sind die beiden am Essen vorbereiten. Am Nachmittag zieht eine kleine Walherde gemütlich vorbei. Leider konnte man nur die Rücken sehen. Ansonsten passiert draußen immer noch wenig. Wir haben wieder einen irgendwo weit draußen vorbeifahrenden Frachter nach dem Wetter angefunkt aber die Aussagen waren so unklar wie das Wetter selbst. Also ein Tag an und unter Deck mit Faulenzen, Schreiben und Navigation. Ein Tag bei spiegelglattem Wasser ohne große Schaukelei, bei der sonst oft verschiedene, im Salon verstreute Teile kreuz und quer durchs Schiff fliegen, dafür aber immer noch mit dem Dröhnen der Maschine.

Nachdem Eberhard wieder einigermaßen fit ist, bringt er seine wirren Träume und Fantasien aus der Fieberphase der Seekrankheitsperiode zu Papier:

    Gedicht eines Seekranken:
    Der Ozean ist tief und kalt
    und drin versinkt mein Bauchinhalt.
    Dies alles wird auch nicht beschönigt
    durch Teneriffas dicken König.
    So jammert man in seine Koje
    wie ausgelutschte Heuleboje.
    Doch draußen schließen Wale Wetten
    was sie als nächstes zu sehen hätten:
    Ob Aprikosen aus der Dose
    oder Möhren, die ganz lose
    vor kurzem noch im Netz gehangen.
    So schließt ein jeder Aal ne Wette
    was er noch zu erwarten hätte.
(Fortsetzung folgt?)

Eberhard und Roland haben Reis mit Ananas gekocht. Wir haben gemütlich im Salon gesessen und anschließend Skat gespielt. Allmählich kommt ein Minimum an Wind auf. Um 21 Uhr haben wir die Genua zur Maschinenunterstützung gesetzt. Bringt immerhin einen halben Knoten zusätzliche Fahrt. Eigentlich müßten wir jetzt auch den Maschinenkegel setzen, aber wen kümmert das hier schon. Außerdem fahren wir auch alle Nächte ohne Positionslichter. Wer soll die hier auch schon sehen? Solange der Wind so bleibt sind weiterhin 2 Std. Einzelwachen angesagt, d.h. für mich 20-22 Uhr. Wenn genügend Wind kommt wird sofort gesegelt und wieder auf Wachsystem 1 mit Doppelbesetzung umgestellt. Dann wäre ich von 5-8 Uhr wieder dran. Als ich um 22 Uhr meine Wache antrete ist mal wieder dicke Suppe, neblig, trübe und fast stockfinster aber wenigstens trocken. Die Radarbeobachtung ist doch sehr komfortabel. So kann man einen relativ weiten Bereich beobachten, ohne ständig Ausguck halten zu müssen. Wir werden vor Mitternacht noch die 1000sm voll machen. Dann bleiben noch ca. 250sm bis Falmouth. Alles weitere wie die endgültige Auswahl des ersten Hafens zum Tanken, evtl. Proviant kaufen und vielleicht eine Nacht im Hafen schlafen entscheidet sich erst übermorgen nach aktuellem Wetter, Wind und Gezeiten.

Mittwoch, 30.5.:
Nachdem sich das Wetter und damit das Wachsystem nicht geändert hat bin ich erst um 8.30 Uhr aufgestanden. Um 9 Uhr stehe ich wieder am Ruder. Wir haben immer noch Flaute, bedeckten Himmel und total glattes Wasser. Später reißt es plötzlich ganz auf und wir haben blauen Himmel und minimalen Wind mit 1,5-2,5kn. Ich habe wieder Voltaren gegen meinen Ischias genommen. Die Schmerzen sind erträglich, aber der Oberschenkel bis zum Knie fühlt sich irgendwie taub an. Wir sitzen im Cockpit, genießen die Sonne und schimpfen auf den nicht vorhandenen Wind. Jetzt haben wir die letzten Diesel-Reserven in den Tank geschüttet. Ein Trawler fischt in unserer Nähe, sieht uns wahrscheinlich auch auf seinem Radar aber beachtet uns nicht weiter. Nach Mittag haben wir die Genua wieder gegen den Gennaker gewechselt. Ist schon Klasse, wie das bunte Teil steht. Bringt sofort mehr Speed. Außerdem hat der Wind auf ca. 3Bft. zugelegt und schon fahren wir wieder ca. 4,5kn. Wir haben die Gelegenheit und das schöne Wetter auch benutzt um einmal die Bettlaken, die vom Kondenswasser an den Bordwänden feucht geworden sind zum Trocknen rauszuhängen und das ganze Schiff kräftig zu lüften. Es ist ein richtig schöner Segeltag, auch wenn wir durch die Dümpelei heute vormittag viel Zeit verloren haben. Inzwischen sind wir dem Land schon wieder so nahe gekommen, daß wir wieder Navtex-Meldungen empfangen, dieses Mal aus Süd-Irland. Der Wetterbericht verspricht Wind aus NW mit 3-4 Bft. und dieses Mal stimmt es sogar. Im Laufe des Nachmittags nimmt der Wind bis auf 15kn zu und dreht von SW auf NW. Nach dem Abendessen -Björn und ich haben Dosenfleisch angebraten und Kartoffeln und Spinat dazu gemacht- mußten wir den Gennaker wieder gegen die Genua tauschen und kurz darauf schon das zweite Reff ins Groß binden. Trotzdem laufen wir schon wieder 7,5kn per Logge d.h. ca. 8kn über Grund. Allerdings fahren wir jetzt seit langer Zeit zum ersten mal auf Steuerbordbug, so daß ich heute Nacht in meiner Backbordkoje nicht in der 'Kuhle' an der Bordwand sondern wohl im Leesegel schlafen muß. Es ist immer noch sonnig, windig und schön mit Aufbau von Kumuluswolken. Mit etwas Glück bekommen wir auch noch einen schönen Sonnenuntergang zu sehen. Seit gestern gehen auch Eberhard und Roland wieder regelmäßig Wache, so daß sich auch die Wach- und Schlafsituation wieder entspannt hat. Konrad backt wieder zwei Brote und wir stellen grobe Berechnungen für die Auswahl des ersten Hafens in England abhängig von Geschwindigkeit und Ankunftszeit an. Allmählich haben wir so ziemlich alle Wetterkombinationen mit Wind, Wellen, Sonne, Regen etc. durch. Torsten ist immer noch gut drauf. Seine Hamburger Mundart und die lockeren Sprüche sorgen immer wieder für Heiterkeit. Während der Fahrt las er ein Buch über den Untergang der 'Lusitania'. Als wir letztens bei Schwachwind fuhren und der Diesel merklich knapper wurde meinte er in Gedanken an die Geschichte und halb geistesabwesend:
'Schade daß wir keine Dampfmaschine haben, sonst könnten noch die Inneneinrichtung verheizen'. Nach erster Bestürzung brach die ganze Meute in ein schallendes Gelächter aus bis er merkte, was er da losgelassen hatte. Seine Sprüche sind wirklich vom feinsten. Nach so einem Segeltag bin ich wieder mit vielem versöhnt, auch wenn ich bei mancher Wache mit Kälte, Nässe und Müdigkeit kämpfen mußte. Natürlich sind wir noch nicht zu Hause, aber der Törn war bisher wirklich sehr abwechslungsreich und ich freue mich wirklich, daß ich es versucht habe. Die Weite des Atlantiks hat mir überhaupt nichts ausgemacht, im Gegenteil, ich habe von fast allen privaten und dienstlichen Themen komplett abgeschaltet. Das einzige, was mich im Moment wirklich nervt ist mein Ischias, der ziemlich weh tut und bis ins Bein zieht. Einige Tage muß ich mich noch mit Voltaren über Wasser halten. Heute habe ich wieder Wache mit Konrad von 20-23 Uhr und morgen früh von 5-8 Uhr. Um 22 Uhr ist es immer noch dämmrig. Wir haben fast klaren Himmel und halben Mond, der ins Achterwasser und ins Cockpit scheint. Wir sausen schon seit 20 Uhr permanent im 2.Reff mit 8kn am Wind. Das Wasser rauscht nur so vorbei, daß es eine Freude ist. Da macht Segeln in Rauschefahrt wieder richtig Spaß.

Donnerstag, 31.5.:
Schlafen im Leesegel bei springender und bockender Yacht ist schon ein besonderes Erlebnis. Nachdem ich mich einige Minuten über irgendetwas klapperndes im Salon geärgert habe bin ich tief und fest eingeschlafen. Um 4.45 Uhr weckt mich Björn. Die Yacht rumpelt immer noch über die Wellen. Nach Sonnenaufgang Als ich ins Cockpit komme, steht die Sonne direkt vor uns über dem Horizont. Ich übernehme und fahre bei blauem Himmel, leichten Kumuluswolken und Windstärke 4-5 Bft. mit leichten Schaumkronen und 1-2m Welle in eine glitzernde See im Gegenlicht. Es macht unheimlichen Spaß so zu segeln und das Schiff durch die Wellen zu jagen. Das ist Vergnügen pur. Der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage im Kanal ebenfalls 3-4 Bft. aus NW bis W. Wenn das eintrifft, haben wir gute Chancen, diesen Kurs und das Tempo noch einige Tage zu fahren.
Heute morgen haben wir schon über 1180sm auf der Logge. Jetzt sind es noch ca. 60sm bis zum Wegepunt unterhalb Lizard Point. Aufgrund des guten Windes, der möglichen Ankunftszeit und der Gezeiten werden wir wohl nicht nach Falmouth einlaufen sondern noch ca. 120sm nach Dartmouth weitersegeln. Wenn alles paßt, werden wir Freitag früh da sein. Da bleibt uns dann genug Zeit zum einkaufen, bummeln, für ein Abendessen an Land und anschließend einige 'Bitter' oder 'Guinness' im Pub. Dann eine ruhige Nacht ohne Wachen im Hafen schlafen und am Samstag früh weiter segeln. Dann sind alle wieder ausgeruht und voll motiviert. Björn und ich haben ein halbwegs englisches Frühstück gemacht: Fried sausages, scrambled eggs (statt chips) und zusätzlich baked beans. Bombenfrühstück. Alle sind begeistert. Das Wetter ist Spitze, der Wind immer noch gut und wir segeln immer noch mit über 7kn. Alle sind wieder voll da und die Stimmung ist hervorragend.
Im Gedenken an unsere mageren Dieselvorräte läßt Konrad einen lustigen Spruch los: Beim Einlaufen in Dartmouth stellen wir uns an Deck auf und rufen dem Hafenmeister zu

    "Hier kommt Thea, hier tanken wir auf".

Inzwischen ist es 13.30 Uhr und wir haben 1220sm nach Horta "Lands End" in Sicht. Bei den ersten Ausläufern des englischen Festlandes geht es immer noch mit 7-8kn und den gestern eingebundenen Reffs vorwärts. Das ist Segeln, wie man es von Fotos und Bildern her kennt.
Inzwischen segeln wir an der englischen Küste entlang. In der Sonne sehen wir, wie Lizard Point mit dem Leuchtturm langsam achteraus an backbord hinter uns bleibt. Irgendwie ist die ganze Meute wieder geschafft: Außer Konrad und mir haben sich alle Kollegen in die Kojen verzogen und machen ein Nachmittagsschläfchen. Ich bin fit und habe keine Probleme. Konrad backt wieder Brot und bereitet ein Abendessen vor. Hier, näher am Land haben wir viel mehr Schiffsverkehr, weil wir uns jetzt wieder in der Nähe verschiedener Schiffahrtsrouten befinden. Es ist immer noch schönes, sonniges Wetter und ich steuere viel mehr, als ich nach Plan eigentlich müßte, aber ich genieße das Segeln ohne zu viel Welle und unter Landabdeckung. Nach einiger Zeit teste ich, ob mein Handy wieder Funkkontakt zum Festland bekommt. Als das klappt, sende ich eine SMS an meine Frau, an meinen Chef und einige andere, um mich wieder bemerkbar zu machen. Meine Frau antwortet promt und mein Chef schickt Grüße aus seinem Urlaub in Hurghada (was heute nicht alles möglich ist!). Um 21.00 Uhr verkrieche ich mich in meine Koje und schlafe wieder sehr gut.

Freitag, 1.6.:
Offensichtlich war der Tag gestern doch sehr lang, denn um 2 Uhr aufzustehen nach einer relativ kurzen Nacht ist nicht so lustig. In der Zwischenzeit ist es wieder saukalt und klamm geworden, weil der Wind abends auf N gedreht und eiskalte Polarluft gebracht hat. In der Nacht ist der Wind dann wieder eingeschlafen. Unter Maschine fahren wir die letzten 20sm bis Dartmouth. Konrad steuert z.T. mit Handschuhen und ich habe einen extra dicken Pullover angezogen. Trotzdem geht die Kälte und Feuchtigkeit durch das Ölzeug und die Finger sind kalt und klamm. Unter Maschine und wiederum Autopilot konzentrieren wir uns auf die Beobachtung der anderen Schiffe und der Lichterführung. Als wir den Leuchtturm 'Start Point' passiert haben halten wir langsam auf die Einfahrt von Dartmouth zu. Ab 4 Uhr (immer noch Horta-Zeit) ist es schon hell Der erste Landkontakt in Dartmouth und wir fahren mit vollem Tageslicht in die Dart-Mündung ein. Um 6.30 machen wir an der Tankstelle fest und stellen die Uhr erst einmal eine Std. auf die lokale Zeit vor. Nachdem der Hafenmeister sowieso erst um 8.30 Uhr erscheint, machen wir erst einmal ein ordentliches und opulentes Frühstück. Nach dem Auffüllen der Bordtanks und aller Reservekanister verholen wir anschließend in eine Box und machen das Schiff fest. Anschließend stürmen alle in die großzügigen und sauberen Sanitäreinrichtungen. Nach über einer Woche liegt eine vollständige Regeneration mit Duschen, Rasieren und frischer Wäsche an. In dieser teuren Marina gibt es 'Einzelbadezimmer', jedes mit Waschbecken, Toilette, Badewanne oder Dusche. Ich nehme einen Raum mit Badewanne, um meinen Ischias wieder einmal richtig durchzuwärmen und den Rücken zu entspannen. Kaum liege ich in der warmen Wanne und habe zum Relaxen die Augen geschlossen, fängt die Badewanne heftig an zu schaukeln und schlingern und ich muß mich festhalten und die Augen sofort wieder aufreißen. Jetzt hat mich der Seegang der letzten Tage voll erwischt. Nachdem ich die Orientierung wieder habe ist alles wieder ok. Nach der Generalreinigung strahlen alle und sind kaum wieder zu erkennen. Am Vormittag räumen wir dann erst einmal das Schiff und unsere Klamotten ordentlich auf und putzen mächtig durch, insbesondere die Waschräume. Anschließend stehen wieder größere Einkäufe an, die dieses Mal von Eberhard, Roland und Björn erledigt werden. Das Verstauen geht dieses Mal schon deutlich schneller, weil es nicht ganz so viel ist wie in Horta und wir mit dem Schiff natürlich mittlerweile bestens vertraut sind. Bernd, ein Sangesbruder aus Bad Liebenstein in Thüringen hatte mir eine SMS geschickt und viel Spaß zum Vatertag gewünscht. Er hatte mich natürlich beim Gesangverein vermutet. Ich habe ihm erst mal geantwortet und ihn über meine Reise informiert. Ich muß ihn unbedingt wieder anrufen. Am Nachmittag sind Torsten und ich in Dartmouth in der Sonne spazieren gegangen und haben uns den Ort angesehen. Anschließend haben wir im Pub schon mal ein Bier getrunken und uns auf 'Bitter' und 'Guinness' eingestellt. Nach der Tour in die Stadt haben wir uns noch einige Zeit im Cockpit in die Sonne gelegt und den schönen Tag genossen.
Eberhard hat Spaghetti Bolognese mit viel Piri Piri (scharfe Sauße) gekocht. Es ist zwar ein einfaches Essen aber es schmeckt sehr gut und alle hauen richtig rein. Am Abend machen wir alle zusammen noch einen Gang in die Stadt und gehen in das älteste Pub, das "Cherub Inn". Die Kneipe ist richtig gemütlich und wir trinken einige Lager, Bitter und Guinness. Konrad erzählt uns, daß es in seiner Firma Probleme gibt und er uns in Brighton verlassen und nach Hause fliegen müßte. In Brighton soll dann ein anderer Skipper an Bord kommen. Nachdem wir um 23 Uhr zwangsweise gehen mußten, nehmen wir auf dem Schiff noch ein Gläschen Whisky als Absacker und machen noch einige dumme Sprüche und Reime. Ich gehe gegen 0.30 Uhr in die Koje und schlafe hervorragend.

Samstag, 2.6.:
Heute wurden wir von keinem Wachsystem getriggert. Also in Ruhe um 8.15 Uhr aufgestanden, noch einmal ausgiebig geduscht und in Ruhe gefrühstückt. Um 11.15 Uhr sind alle Vorbereitungen getroffen und wir können endlich auslaufen. Aus der Mündung des Dart River hinaus, in der die Segelschulen volles Wochenend-Programm mit Unterricht und Regatta haben. Heute haben wir wieder schönes Wetter. Es ist ganz leicht bedeckt und wir segeln mit 7kn raumschots. Es war ein schöner Tag in Dartmouth, der uns nach der Langstrecke gut getan hat. Trotzdem oder gerade deswegen hat sich die Einstellung bzw. das Segelgefühl irgendwie geändert. Es ist so unter Land kein Hochsee- bzw. Langstreckensegeln mehr, sondern mehr Küsten- oder Urlaubssegeln, obwohl wir noch ca. 500sm bis Hamburg haben und die Nordsee bei entsprechendem Wind durchaus noch reichlich anspruchsvoll werden kann.
Beim Auslaufen sehen wir noch einmal das Leuchtfeuer 'Start Point' achteraus und segeln nun bei etwas drehenden Winden mehr oder weniger parallel zur Küste. Trotz des Wochenendes sind nur wenige Segler unterwegs. Berufsschiffe und Fischer sehen wir in Ein herrlicher Sonnenuntergang Küstennähe allerdings wesentlich mehr. Als ich meine Wache von 20-23 Uhr fahre, haben wir den Leuchtturm 'Portland Bill' mit einem schönen Sonnenuntergang achteraus, den Leuchtturm 'Anville Pt.' querab und können den Leuchtturm 'St.Catherines Pt.' auf der Isle of Wight schon an backbord voraus erkennen. In der Dämmerung sind mehr und mehr Schiffe zu erkennen. Wir können die Kurse anhand der Lichterführung gut einordnen. Deshalb sind keine Manöver bei uns erforderlich. Auch hier fahren wir, soweit es die Abstände zu anderen Schiffen zulassen beim Segeln ohne Positionslichter. Wenn motort werden muß und die Lichtmaschine genügend Strom zum Laden der Batterie und für den Autopiloten liefert, fahren wir auch mit Maschinenlichtern.

Sonntag, 3.6.:
Heute habe ich wieder Wache von 5-8 Uhr. Als ich wach werde merke ich erst, wie es mich auf Steuerbordbug in meiner Vorschiffskoje wieder in das Leesegel gedrückt hat und das Schiff bockt und in die Wellen schlägt. Es ist hell, sonnig und saukalt und wir müssen mal wieder hoch an den Wind. Ein eiskalter Wind bläst aus N-NE mit 15-20kn. Trotz zwei dicken Pullovern und Ölzeug ist mir ganz schön kalt. Konrad geht s nicht viel anders. Also erst mal Kaffee gekocht und zwei Tassen getrunken. Jetzt bin ich zwar immer noch müde aber der Kaffee tut doch gut. Später stellen wir bei freundlichem Wetter fest, daß wir bei nachlassendem Wind und Stromversatz nicht den günstigsten Kurs fahren. Also machen wir eine Wende Richtung Isle of Wight (340°), um den mitlaufenden Strom mitzunehmen. Später wenden wir wieder zurück auf 70°, dieses Mal noch mehr gegen Wind und ablaufendes Wasser. Seit gestern laufen wir Brighton an. In Brighton soll Thomas übernehmen. Wenn alles klappt, wird Konrad von Zuhause wieder nach Hamburg kommen. Evtl. treffen wir ihn bei unserer Ankunft in Hamburg noch einmal. Es ist immer noch total blauer Himmel und kalt. Die versprochene Winddrehung auf NW-W bleibt bisher aus. Also segeln wir weiterhin am Wind. Inzwischen hat der Wind etwas gedreht und auf ca. 12kn nachgelassen. Damit segeln wir schon wieder merklich komfortabler. Das Barometer ist schon wieder deutlich gestiegen was einerseits auf schönes Wetter hindeutet aber andererseits den rückdrehenden Wind vermissen läßt. Also wieder kein Raumschotsgang. Björn hat Mittagessen gekocht: Kleingeschnittene Würstchen in Linsen und Möhren mit Kartoffeln. Damit ist wenigstens für das leibliche Wohl gut gesorgt. Der Wind nimmt weiterhin ab, so daß wir nur noch ca. 2kn Fahrt machen. Damit dauert die Fahrt nach Brighton einfach zu lange. Kalt, aber sonnig! Also wieder Maschine an und unter Stützgroß direkten Kurs anliegen. Wir sitzen bei Sonnenschein im Cockpit und sehen die englische Südküste an uns vorbei ziehen. Irgendwie ist der 'drive' raus. Der eigentliche Hochseesegeltörn hat sich in einen Urlaubs-/ Sommer-/ Küstentörn verwandelt. Konrad hat seine Sachen schon gepackt und ist auch nicht gerade bester Stimmung. Wir müssen den ganzen Weg motoren, um in den Hafen zu kommen. Allerdings habe ich bei dem schönen Wetter die Entfernung unterschätzt. Die Sicht ist sehr gut und so scheint die Küste viel näher zu sein als sie wirklich ist. Thomas wartet schon im Hafen auf uns und kommt uns begrüßen, als wir endlich in der Box liegen.
Inzwischen haben wir schon ca. 1465sm gefahren. Pfingstsonntag in Brighton auf der Pier ist nicht viel anders als ein normaler Sonntag. Wir machen einen kleinen Spaziergang Richtung Stadt, kommen allerdings nicht sehr weit, da wir uns zum Pizzaessen verabredet haben. Anschließend haben wir Konrad noch zum Taxi gebracht. Er fährt mit dem Überlandbus nach London. Die anderen hatten um 21 Uhr keine Lust mehr etwas zu unternehmen, also bin ich mit Torsten noch in den Pub gegangen. Dort haben wir noch bis 23 Uhr gesessen, gequatscht und 'Bitter' und 'Murphys' getrunken. An Bord war schon Totenstille, also nix wie hinlegen und pennen.

Montag, 4.6.:
Heute bin ich um 7.15 Uhr wach geworden. Im Schiff und auch außerhalb ist noch alles still und friedlich. Thomas sitzt schon an Deck und liest. Also gehe ich erst mal in aller Ruhe duschen. Anschließend habe ich Frühstück vorbereitet und wir haben mit frischen Spiegeleiern und allem Komfort gefrühstückt. Um 10 Uhr sind wir bei schönstem Sonnenschein und ca. 3Bft. klar zum Auslaufen. Björn fährt den Ableger und aus dem Hafen, Eberhard hat Wache und übernimmt. Kurz darauf setzen wir den Gennaker. Die Aktion war schon reichlich kompliziert, weil das Segel sich oben schon etwas geöffnet, Wind gefangen und sich vertwistet hatte. Als das Teil endlich steht machen wir bei mitlaufendem Strom und bestem Segelwetter 6,5kn Fahrt. Im Laufe des Nachmittages machen wir mehrfach Segelwechsel. Zuerst den Gennaker geborgen, dann die Genua gesetzt und ausgebaumt zur Schmetterlingsfahrt mit Großsegel auf backbord. Ich habe in letzter Zeit einen unheimlichen Hunger auf Süßes: Marmelade auf die Frühstücksbrote und Mars (was ich schon jahrelang nicht mehr gegessen habe) zwischendurch; immer mal wieder etwas knabbern.
Heute habe ich Wache von 16-20 Uhr. Wir fahren schon seit einiger Zeit näher an das Verkehrstrennungsgebiet heran. Die Dampfer kommen nun in kurzen Abständen hintereinander her. Das sind z.T. schon mächtig große Pötte. Eberhard hat heute Nudeln mit Pesto gekocht. Inzwischen sind wir an Rye und Dungeness vorbei. Nachdem wir "um die Ecke" sind müssen wir die Segel schiften und fahren weiterhin Schmetterling mit Groß auf steuerbord. Als es etwas dämmerig wird, wird die Lichterbeobachtung interessant. Noch zwei Gläschen Roten aus Horta und dann geht's ab in den Schlafsack. Die anderen Wachen schippern uns in der Nacht an Folkstone und Dover vorbei. Muß wohl sehr interessant und einschl. der Fähren richtig viel Verkehr gewesen sein, aber da ich wachfrei hatte und schlafen mußte habe ich davon leider nichts mitbekommen.

Dienstag, 5.6.:
Heute habe ich mal wieder Wache von 2-5 Uhr. Komme so halbwegs in die Gänge. Der Wind ist schwach und wir segeln mit 4kn durchs Wasser. Es ist wieder äußerst frisch und so stehe und sitze ich meine Zeit ab und friere leicht vor mich hin. Gegen 5 Uhr rollt Thomas die Genua ein und wir fahren nur unter Groß immer noch 3-4kn. Ich mache noch einmal eine Positionsbestimmung und verschwinde wieder in die Falle. Um 8.30 Uhr werde ich durch ein mächtiges Gerödel geweckt. Thomas läßt den Gennaker wieder setzen. Später wird das Groß weggenommen und wir laufen nur unter Gennaker. Roland hat Brötchen aufgebacken und so kann ich erst einmal in Ruhe und ausgiebig nach den anderen frühstücken. Habe selbst im Schlafsack noch kalte Füße gehabt und so ärgert mich mein Ischias heute mal wieder. Große Beschwerden habe ich normalerweise nicht mehr, nur das taube Gefühl im Oberschenkel macht mir Sorgen. Sobald wir wieder unter Land und im Handybereich sind, werde ich meine Kollegin im Büro anrufen und sie bitten, daß sie mir für nächste Woche einen Arzttermin besorgt.
Bei schwachem Wind und jetzt wieder mitlaufendem Wasser segeln wir ca. 4-5kn über Grund. Ich habe meine Liste der Positionen aus den Notizzetteln und der Karte wieder vervollständigt aber noch nicht in die Seekarten übertragen. In der Nähe der viel befahrenen Schifffahrtsstraßen haben wir entsprechend öfter navigiert. Wir laufen immer noch Richtung Osten im englischen Kanal und nördlich am Verkehrstrennungsgebiet entlang. Bei 'Noord Hinder' laufen wir schräg durch die VTG-Unterbrechung und steuern grob Den Helder in Holland an. Nachdem der Wind immer schlapper wird werfen wir den Perkins an. Die Batterien und der Kühlschrank müssen sowieso wieder geladen werden. Ich habe mit Thomas Ruderwache von 12-16 Uhr. Das Wetter ist wieder sehr schön und wir sitzen an Deck. Trotz des konstanten Barometerfalls um 7 Pkte. in den letzten 18 Std. bekommen wir noch nicht mehr Wind. Also bleibt uns nichts anderes übrig als den Autohelm steuern zu lassen, den Verkehr zu beobachten und den Tag zu genießen. Auch der Nachmittag vergeht unter Maschine und Autohelm. Null Wind. Am frühen Abend kocht Thomas Risi Bisi und ich mache einen Tomatensalat dazu. Wir essen gemütlich im Cockpit, beobachten Schiffe, die ins VTG fahren und suchen die wenigen Tonnen. Anschließend spielen wir noch einige Spiele 'Mensch ärgere dich nicht' und trinken ein Gläschen weißen Horta-Wein (der rote ist nämlich schon alle). Allmählich muß ich in den Schlafsack, weil von 23-02 Uhr wieder Wache angesetzt ist.

Mittwoch, 6.6.:
Bin um 23 Uhr einigermaßen fit. Das Wasser ist absolut glatt, der Wind schwach. In dieser Nacht ist es durchweg bedeckt aber dafür wenigstens nicht so kalt. Beim Einschlafen habe ich wieder Gerödel an Deck gehört. Offensichtlich hat der Wind wieder zugenommen, so daß die Wache Groß und Gennaker gesetzt hat. Mein Ischias ärgert mich wieder: Die Hüfte tut weh und der Oberschenkel ist taub. Ich übernehme die Wache mitten zwischen zwei Bohrinseln und reichlich Lichtern rundum. Ein weißer Christbaum an Bb. entpuppt sich später als vor Anker liegender Öltanker, das wilde Gefunkel an Stb. als Untiefentonnen mit 4 verschiedenen Kennungen. Bei 2-3kn Fahrt kommen div. rote und grüne Lichter auf: Querfahrer und Überholer. Nach einer Stunde läßt der Wind wieder nach und wir werfen wieder den Diesel an. Mit Stützgroß motoren wir den Rest der Wache. Um 2 Uhr gehe ich in die Koje und schlafe gut, bis mich Torsten um 7.45 Uhr weckt. Ich bin einigermaßen munter und stelle fest, daß wir wieder segeln.

Thomas hat zu meinem Geburtstag einen gedeckten Pfirsichkuchen gebacken. Mein Geburtstagsfrühstück Die Jungs gratulieren mir und wir haben ein umfangreiches Frühstück mit Spiegeleiern und Kuchen. Zu meinem Geburtstag haben sie extra Teelichter aufgestellt. Nach dem Frühstück nehme ich die Koordinaten der letzten Nacht auf und schalte mein Handy ein. Verschiedene Geburtstagswünsche per SMS. Das Wetter ist einigermaßen und ich verbringe meine Vormittagswache zum großen Teil an Deck. Tagsüber machen wir wieder div. Segelmanöver, da wir zu nahe an die Küste gekommen sind und den Sollkurs nicht mehr halten können. Also den Gennaker wieder rein, wenden, dann die Genua raus und später alles wieder zurück. Da wir nahe Texel sind rufe ich meine Frau wg. Beratung mit unserem Hausarzt an. Später habe ich noch mit meiner Kollegin telefoniert und um Vereinbarung eines Arzttermines beim Orthopäden für die nächste Woche gebeten. Anschließend Kartoffeln geschnitten für den Gemüseauflauf, den Thomas machen will. Außerdem hat er schon wieder zwei Brote in Arbeit. Um 18 Uhr ruft meine Frau an, nachdem sie mit dem Hausarzt gesprochen hat. Er hat starke Bedenken wegen meines tauben Oberschenkels. Er vermutet eine Nervenquetschung, evtl. einen Bandscheibenvorfall (gut getroffen!) und empfiehlt, direkt nach Eintreffen in Hamburg in ein Krankenhaus zur Untersuchung zu gehen, spätestens aber am Samstag zu Hause. Ich bin mir noch nicht so recht sicher, was ich machen soll. Die eigentlichen Schmerzen halten sich durchaus in Grenzen, insbesondere wenn ich stehe oder Bewegung mit gestrecktem Bein habe. Die Pillen nehme ich auch schon einige Tage nicht mehr.
Nach dem Essen spiele ich noch einige Runden Skat mit Thomas und Eberhard, bis um 20 Uhr wieder unsere Wache anfängt. Inzwischen hat es sich wieder zugezogen und bald darauf fängt es mal wieder an zu nieseln. Viel zu sehen gibt es bei dem trüben Wetter auch nicht, so daß ich meine Zeit einfach abreißen muß. Ich trinke noch etwas weißen Horta aus meinem persönlichen Edelstahl-Trinkbecher. Der ist inzwischen mein Markenzeichen. Die Kollegen studieren derweil schon einmal die Hafenkarten von Hamburg. Wenn es klappt, will Torsten seine Barkasse benachrichtigen. Evtl. machen wir dann mit der Begleitung eine kleine Hafenrundfahrt mit der Thea. Inzwischen nieselt es wieder stärker und es ist alles grau in grau aber immerhin fahren wir 6kn auf der Logge und 7kn über Grund. Nach der unspektakulären Wache geht's direkt in die Koje. Die nächste Wache steht wieder von 5-8 Uhr auf dem Plan.

Donnerstag, 7.6.:
Noch bevor ich zur Wache um 5 Uhr aufstehen muß, werde ich vom heftigem arbeiten an Deck und mächtigem Geklöter geweckt. Das Schiff schaukelt mächtig hin und her und die Maschine heult immer wieder auf. Noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich aufstehe und sehe was passiert ist kommt Thomas und ruft mich ganz schnell an Deck zum helfen. Ich pelle mich trotz meines Ischias mit meinem Schlafanzug direkt ins Ölzeug, ziehe schnell die Stiefel an und springe den Niedergang hoch. Oben ist mächtig was los.
Wir sind ungefähr in Höhe Norderney. Torsten kurbelt heftig am Steuerrad und versucht das Schiff bei 6 Bft. und ordentlicher Nordseewelle einigermaßen im Wind zu halten. Kurz zuvor ist das Fockfall kurz oberhalb des Genuakopfes gebrochen, die Genua war in der Nut herunter gerutscht und schlug wie wild hin und her. Thomas und Björn haben bereits das gleich dicke Spifall an die Genua geschäkelt und versuchen nun bei heulendem Wind, stampfenden Wellen und furchtbar schlagendem Segel das Vorliek wieder in die Nut einzuführen und das Fall dicht zu holen. Das Vorliek bleibt aber immer wieder in der trichterförmigen Nut hängen, so daß das Fall immer wieder gefiert und neu gekurbelt werden muß. Inzwischen ist Eberhard auch an Deck und wir gehen an die Winsch, damit die anderen beiden Hand in Hand am Segel arbeiten können. Auf halber Höhe hat es aber keinen Zweck mehr. Das Segel ist unter diesen Bedingungen nicht mehr zu bändigen. Also wieder herunter damit, abgeschäkelt und an der Reling beigebändselt. Aus der Segellast holen wir eine kleinere Arbeitsfock, die zwar auch mit dem Vorliek eingefädelt werden muß, aber wegen der geringeren Größe gerade noch zu bändigen ist.
Nach einer weiteren halben Stunde Arbeit steht die Fock und wir sind nach dem ganzen Gerödel wieder auf Kurs. Die ganze Aktion hat doch einige Zeit gedauert und inzwischen hat meine Wache begonnen. Nachdem ich mich angezogen habe übernehme ich das Steuer und die alte Wache verschwindet schnell in der Koje. Die erste Stunde steuere ich, die zweite Thomas. In der dritten Stunde fällt er vor Müdigkeit fast um, weil er während der Nacht wegen Segelwechsels schon geweckt worden ist und nicht durchschlafen konnte. Also legt er sich im Salon auf die Bank und schläft sofort ein. Ich steuere die dritte Stunde ganz allein in den Morgen hinein. Es ist inzwischen etwas weniger ruppig. Außerdem haben wir wenig Berufsschifffahrt und es ist ganz ruhig im Schiff. So kann ich meinen Gedanken nachhängen und an verschiedene Sachen denken. Am Ende der Wache wecke ich Eberhard und Roland und verziehe mich nach dem Dienst auch sofort wieder in meine Koje. Später werde ich wieder von lautem Geklöter und Gerenne an Deck geweckt. Irgendwie ist Hektik an Deck. Die beiden haben das Groß geschiftet und den Bullenstander gesetzt. Offensichtlich sind wir in der immer schmaler werdenden Küstenverkehrszone näher an das Verkehrstrennungsgebiet vor Cuxhaven herangekommen. Eberhard und Roland scheinen sich über die erforderlichen Manöver nicht ganz klar zu sein und so machen sie in einer Notaktion eine Wende direkt vor einer Tonne und mit einem Tonnenleger der Küstenwache im Rücken. Irgendwie sieht das nach Hektik und unklarer Aktion aus und die Jungs haben sich über unsere Aktion sicher gewundert. Nachdem alles wieder läuft kreuzen wir das Fahrwasser zum Jade-Abzweig und steuern jetzt am Fahrwasserrand um Neuwerk und Memmert herum nach Cuxhaven. Die Kugelbake und der Strand sind vom Schiff aus schon aus einiger Entfernung gut zu erkennen. Wir steuern auf die Hafeneinfahrt zu und sehen beim Einfahren das Traumschiff, die MS Berlin am Kai liegen. Nachdem der Brückenwärter im Binnenhafen die Klappbrücke für uns aufgemacht hat, 'Fest' in Cuxhaven steuern wir den Sportboothafen an und machen fast direkt neben dem ausgemusterten Feuerschiff Elbe 1 in einer Box fest. Um 13.30 Uhr trinken wir erst einmal einen Anleger. Nachdem wir nun so früh da sind und genügend Zeit haben ist erst einmal ruhiger Nachmittag angesagt. Ich gehe duschen und mache mich wieder frisch. Anschließend bummele ich etwas durch den Sportboothafen und besorge mir bei der Hafenmeisterin noch einen Stempel für mein Seglerbuch. Sie erzählt, daß in den letzten Tagen ein fürchterlicher Sturm war und die traditionelle Pfingstregatta nach Helgoland nur mit minimaler Beteiligung gestartet wurde. Dann haben noch einige Yachten die Regatta abgebrochen und bei anderen die weiter gesegelt sind hat es schweren Bruch gegeben. Heute ist strahlend blauer Himmel mit einem lauen Lüftchen und so kann man das nur schwer nachvollziehen. Am Nachmittag bummele ich noch etwas durch den Hafen und sehe mir noch div. Schiffe und Aktivitäten in den Hafenbecken an. Am frühen Abend haben wir uns dann angezogen und sind alle gemeinsam ins Städtchen gebummelt. Als wir einen Einheimischen nach einem guten Lokal fragen stellt sich heraus, dass er ein Speiselokal hat und gerade auf dem Weg ist. Ein ganz toller Abend! Also gehen wir nach kurzer Zeit zum "Ei" und bekommen ein sehr gutes Essen ohne uns Gedanken über den Abwasch machen zu müssen. Ich bestelle mir Schnecken zur Vorspeise und als Hauptgericht Schweinefilet im Speckmantel mit Cognacsauce und Bratkartoffeln. Vorzüglich!! Außerdem hat der Chef auch noch 'Guinness' am Hahn, so dass der Abend ein voller Erfolg ist. Später bekommen wir noch ein anderes Paar mit Tochter und Schwiegersohn 'in spe' an unseren Tisch und haben zusammen viel Spaß. Bei dem lustigen Abend sind wir natürlich erst nach Mitternacht ins Bett gekommen.

Freitag, 8.6.:
Heute bin ich um 7.15 Uhr aufgestanden, aber irgendwie doch noch etwas mitgenommen. Noch einmal die landseitigen (gegenüber dem Schiff schon fast komfortablen) Sanitäreinrichtungen benutzt und anschließend gefrühstückt mit frischen Brötchen, die Roland inzwischen besorgt hat. Ich habe zum Frühstück noch einmal Speck und Eier gebraten (Kochen kann ich nicht so gut, aber Frühstück machen!). Um 9.00 Uhr laufen wir aus. Im Vorhafen wird dann die Fock geborgen und die Genua wieder am Spifall eingefädelt. Vor dem Kai setzen wir Segel, nehmen den Kurs Elbe-aufwärts auf und fahren immer schön am grünen Tonnenstrich entlang. Ich steuere die ersten 20sm. Zuerst haben wir noch 2 kn Gegenstrom. Wir sind extra so früh gestartet, damit wir die Etappe in einer Tide schaffen und am Ende nicht zu stark gegen den Strom flussaufwärts motoren müssen. Später haben wir bei Flut 4kn mitlaufenden Strom der uns gut voran bringt. Wir stellen erstaunt fest, dass es jede Menge Richtfeuer und Tonnen gibt. Das muß bei Nacht navigatorisch sehr interessant sein.

Wir segeln bei schönem Wetter die Elbe hinauf und sehen viele große Pötte. Ab Stade ist dann der Wind weg und mit fahren unter Motor weiter. Das Wetter verschlechtert sich und wir bekommen zwischendurch einige kräftige Schauer mit starken Böen. Eberhard macht das alles nichts aus und er steuert im Regen unverzagt weiter. Thomas kümmert sich mal wieder um unser leibliches Wohl und macht Lasagne. Vor Hamburg haben wir wieder schönsten Sonnenschein. Wir segeln in Wedel am Yachthafen und in Schulau an der Schiffsbegrüßungsanlage vorbei. Anschließend geht es entlang der Airbus Werft am Mühlenberger Loch, Finkenwerder und dem Nobelvorort Blankenese vorbei. Voraus sieht man schon die Hafenanlagen, Containerterminals, Blohm&Voss und den Michel. Es ist toll, so in den Hafen einzulaufen. Die Mitsegler kennen sich gut aus und erklären Thomas und mir alle Einzelheiten. Torsten kennt fast jede Barkasse und jeden Ponton. Es ist echt spannend und sehr beeindruckend, den Hafen so einlaufend zu erleben. Nachdem wir am Elbtunnel vorbei sind kommt kurz darauf nach der 'Rickmer Rickmers', der 'Cap San Diego' und dem Museums-Feuerschiff der City Sporthafen in Sicht. Konrad ist tatsächlich da und steht schon winkend am Steg. Björns und Torstens Eltern und einige Freunde stehen ebenfalls als Begrüßungskomitee am Steg. Nach Eberhards Anleger gibt es ein Riesen-Hallo. Es ist 18.30 Uhr und wir haben es tatsächlich geschafft, woran ich natürlich nicht gezweifelt habe. Ende einer Reise. Schade! Es ist wirklich ein ganz tolles Gefühl. 1931sm nach Abfahrt in Horta liegen wir wieder sicher und fest am Steg. Es war wirklich ein einmaliges Erlebnis und ich bin froh, daß ich es gemacht habe.
Die anderen Mitsegler, die in Hamburg wohnen gehen abends schon von Bord. Mir ist es zu stressig, um gegen 21.00 Uhr noch mit dem Zug nach Hause zu fahren, also gehe ich mit Konrad und Thomas noch in Hamburg in ein portugiesisches Restaurant zum Essen. Anschließend noch in die Bar im Feuerschiff auf einige Guinness und noch einmal in die Koje, dieses mal ohne Schaukeln, Stampfen und Leesegel.

Samstag, 9.6.:
Als ich um 6.15 Uhr kurz raus muß ist Thomas gerade dabei zu gehen. Er fährt nach Marina Minde um einen neuen Törn rund Fünen zu übernehmen. Gegen 9.30 Uhr frühstücke ich mit Konrad. Kurz darauf kommt Torsten frisch rasiert und munter schon wieder vorbei, weil das neue Genuafall noch eingezogen werden soll. Während Konrad und Torsten noch Teile besorgen, packe ich schon mal meine Sachen zusammen. Als dann noch Eberhard und Roland kommen, winschen wir Konrad im Bootsmannsstuhl in den Mast. Leider klappt doch nicht alles auf Anhieb, so daß wir ihn wieder fieren.
Es ist bereits 12.00 Uhr und ich verabschiede mich, weil ich den direkten Zug um 12.47 Uhr nach Dortmund noch bekommen möchte. Außerdem sind jetzt wieder genug Helfer da, die Konrad noch unterstützen können. Da bin ich nicht mehr unbedingt erforderlich. Die Gepäckschlepperei zur S-Bahn und im Bahnhof ist ganz schön anstrengend. Schwitzend und viel zu dick angezogen komme ich endlich an. Inzwischen sitze ich im Zug und komplettiere meine Notizen. Mir gehen noch so viele Gedanken durch den Kopf. Es waren einfach unwahrscheinlich viele Eindrücke und Erlebnisse. Horta ist eigentlich schon wieder viel zu weit weg. Schade! Auf meine Fotos bin ich wirklich sehr gespannt. Mal sehen, ob etwas Vernünftiges dabei herausgekommen ist. Zu Hause muß ich noch die Route auf den Seekarten vervollständigen. Zuletzt bin ich nicht mehr dazu gekommen weil es unterwegs so interessant war. Mit den Seekarten, den Fotos und diesen Notizen müßte ich eine schöne Zusammenfassung dieser tollen Reise haben, um mich noch lange an diesen für mich einmaligen Törn zu erinnern.


Zurück zum Abschnitt Zurück zur Startseite