Unser erster England-Törn

Nachdem wir zwischenzeitlich Skipper Karl-Heinz mit seiner Southerly 100 kennen gelernt und verschiedene gemeinsame Törns von Lelystad aus auf dem Ijsselmeer absolviert hatten, kam recht bald die Idee auf, im Sommer mit kleiner Crew einen 3-Wochen-Törn nach England zu machen.

Vlissingen an der Westerschelde Dies war die Planung für unseren ersten größeren Törn auf der offenen Nordsee. Da wir wegen der Gezeiten und der Navigation doch etwas unsicher waren haben wir natürlich noch den Rat eines erfahrenen Seeseglers eingeholt und uns nochmals eingehend mit den theoretischen Vorbereitungen beschäftigt.
Nach Auffrischen der Tidennavigation, Studium der Gezeiten und der Strömungen fühlten wir uns sehr bald fit genug und ließen unserer Vorfreude mit der Planung der Reise und verschiedensten Berechnungen und Abschätzungen freien Lauf.

Im August 1998, nachdem das Auto mit Bekleidung, Verpflegung und Getränken (!!) bis oben hin vollgestopft war, gingen Willi, Gudrun und ich dann auf die Reise zum Einschiffungshafen nach Vlissingen an der Mündung der Westerschelde, wohin Karl-Heinz das Schiff schon von Lelystad aus überführt hatte und uns erwartete.
Hier haben wir erst mal das Schiff aufgerüstet und abends noch einen ganz kurzen Bummel an der Seepromenade entlang gemacht. Mit einem gemütlcihen Absacker haben wir dann die erste Nacht an Bord eingeläutet.

Seebäder entlang der holl. u. belg. Küste Am nächsten Morgen startete der Törn und der erste frühe Schlag führte uns aus der Mündung der Westerschelde mit der Berufsschiffahrt (Ansteuerung Antwerpen!) heraus und an der holländischen und der belgischen Küste entlang nach Dünkirchen, wo wir am späten Nachmittag eintrafen und die Nacht im Sportboothafen verbrachten.

Steuern macht noch Spaß Am nächsten Morgen nahmen wir schon früh die Überfahrt nach Ramsgate in Angriff. Dünkirchen am frühen Morgen Ausgelaufen sind wir noch bei schönstem Sonnenschein und moderatem Wind. Später entwickelte sich die Fahrt -insbesondere mit Kreuzung des Verkehrstrennungsgebietes und zunehmendem Wind mit entsprechender Welle- für uns unerfahrene Seesegler doch zu einem etwas anspruchvolleren Törn. Die erste größere Fahrt in völlig offenem Seeraum ohne Landsicht und mit Beachtung der Berufsschifffahrt ließ uns doch das eine oder andere mal öfter auf das GPS und in die Karte schauen als wir das bisher von den Binnengewässern gewohnt waren, aber es klappte alles prima und ohne Zwischenfall.

Ramsgate harbour Nachdem wir schließlich in Ramsgate wieder sicher am Stag lagen und einen "Anleger" getrunken hatten, Pub in Ramsgate waren wir mit dem Ergebnis der ersten Strecke durchaus zufrieden und die Welt war voll in Ordnung. Der Hafenmeister war auch sehr freundlich und hatte uns einen Platz längs der Pier angewiesen. Später am Nchmittag haben wir dann erste Erfahrungen mit der englischen Pub-Mentialität gemacht und uns zur Eingewöhnung einige Bitter bzw. Guinness im nahe liegenden Pub einverleibt. Absacker im Cockpit Am nächsten Tag haben wir einen Ruhetag eingelegt und und in aller Ruhe die Stadt angesehen und im Straßencafe die Leute beobachtet und ein erfrischendes Getränk zu uns genommen. Außerdem haben wir die Zeit genutzt, den Mast zu legen und im Topp einen neuen Radarreflektor zu montieren, was durchaus mit den ganzen Nebenarbeiten einige Zeit in Anspruch genommen hat. Eine vorhandene Jüttvorrichtung und die Maststütze im Heck erleichtern solche Arbeiten doch sehr. Trotz des offenen Hafens und der Tide konnten wir hier bequem an Schwimmstegen liegen und brauchten uns nicht mit langen Leinen abzuplagen.

Anfahrt auf Dover Die nächste Etappe führte uns nach Dover, Der commercial harbour was schon von weitem aufgrund der Kreidefelsen und des hoch über der Stadt thronenden Castle gut auszumachen war. Hier mussten wir erst einmal am Eastern Entrance und dem ewig langen Wellenbrecher vorbei, bis wir dann mit Hilfe eines "Pilot" durch den Western Entrance an den großen Fähren und Luftkissenbooten in den Sportboothafen geleitet wurden. Hier lagen wir hinter der Schleuse tiden- Das Castle über der Stadt unabhängig und konnten erst einmal in Ruhe durch den Hafen bummeln und uns die diversen Fährschiffe und die riesigen Hoovercrafts anschauen, die mit einem Höllenlärm ein- und ausliefen. Der Blick vom Hafen über die Stadt und die Kreidefelsen mit dem berühmten Dover Castle ist schon sehr beeindruckend. Castle über der Stadt Anschließend blieb genügend Zeit um durch die Stadt zu bummeln, uns in Ruhe umzuschauen und das historische Flair einer englischen Kleinstadt anzuschauen. Völlig erschöpft von dieser Strapaze haben wir und dann in der Fußgängerzone nieder gelassen und unter satt blühenden Geranien ein kühles Bier zu trinken. Irgendwie gewöhnt man sich auch an das englische Bier. ;-) Die Nacht war dann zwar etwas unruhig, weil doch immer wieder Fähren und Hoovercrafts ein- und ausliefen, aber wenigstens haben wir hier geschützt und mit kurzen Leinen am Schwimmsteg gelegen.

Auf dem Trockenen! Die nächste Etappe führte uns die kurze Strecke Hafen von Folkestone an der Südküste entlang nach Folkestone. Hier fanden wir nach längerem Suchen einen Ankerplatz mitten im inneren Hafen, nicht allzu weit vom Ufer erfernt. Verschiedene Skipper warnten uns vor dem Platz mit der geringen Tiefe, da sie nicht wussten, dass wir das Schiff mit hydraulisch eingezogenem Kiel im Hafen trocken fallen lassen wollten. Das war die ideale Gelegenheit um das Unterwasserschiff ohne das sonst erforderliche Kranen einer größeren Reinigung zu unterziehen. Dass man irgendwann mit seinem Schiff buststäblich auf dem Trockenen sitzt und mitten im (relativ sandigen) Hafen zu Fuß von Große Putzaktion Bord gehen und durch das trockene Hafenbecken ins Städtchen Folkestones Aldstadt gehen konnte war mir bis dato auch neu. Aber das Segeln in Gezeitengewässern hat eben seine besonderen Reize.
Auch in Folkestone haben wir einen schönen Spaziergang gemacht, sind am Kliff entlang gelaufen, haben uns das Städtchen angeschaut und bei der Gelegenheit unseren Proviant bei einem wundersamerweise auch hier bekannten Discounter wieder mit frischen Sachen komplettiert. Am Ende mussten wir uns dann allerdings doch noch beeilen, um bei dem auflaufenden Wasser das Schiff noch trocken zu erreichen.

Im Schlamm an der Spundwand Die nächste Etappe führte uns weiter westlich an der Küste entlang, Die trocken gefallene Innenstadt um die markante Halbinsel Dungeness herum und von dort aus den Fluss hinauf zur Stadt Rye. Leider hatten wir das Hochwasser schon verpasst und liefen bei bereits stark ablaufendem Wasser und sehr niedrigem Wasserstand in den Fluss ein, mit dem Ergebnis, dass der geplante Liegeplatz im Zentrum von Rye in weite Ferne rückte. Mit dem letzten Schwung schafften wir es ca. 1 km vor der Stadt noch bis kurz vor eine Spundwand, als das Schiff trotz voll eingezogenem Kiel endgültig im Schlamm festsaß. Alle Schiffe rundherum bei Niedrigwasser In Rye ... in dickem Schlamm sitzen zu sehen ist für Ungewohnte ein durchaus ernüchternder Anblick. Das gemütliche Städtchen ... Der "Aufstieg" zum Land bzw. an der Spundwand hoch erwies sich dann noch als etwas abenteuerlich, wofür wir dann in einer wunderschönen Altstadt mit alt-englischem Flair entschädigt wurden. Hier haben wir noch mal einen Tag Pause eingelegt um das Städtchen und die schöne englische Landschaft zu genießen. Die Gezeitensegelei hat natürlich auch einige praktische Nachteile. Da die Schiffe durchweg noch nicht mit Schmutzwassertanks ausgerüstet waren, blieb einem im Falle eines größeren dringenden Bedürfnisses mangels Spülung bei Ebbe nur der Weg die Spundwand hoch und in die nächsten Sanitäranlagen in der Stadt.

Gudrun, Willi und ich genießen die ruhige Überfahrt Gemäß der goldenen Skipperregel: ca. 1/3 der Zeit für den Hinweg, ca. 2/3 für den Rückweg wurde als nächstes Etappenziel wieder der "Kontinent" und hier konkret Boulogne in Frankreich angepeilt. Die Überfahrt erwies sich im schönsten Sonnenschein und bei ziemlicher Flaute als recht unspektakulär, In Boulogne ist es voll so dass wir die Ansteuerung und den Hafen problemlos erreichten. Leider war der Hafen mit Segelyachten reichlich belegt, so dass wir nur noch als 4. im Päckchen unterkommen konnten. Unser englischer Nachbarlieger wies uns gleich darauf hin, dass er am nächsten Morgen bereits gegen 5.00 Uhr mit Hochwasser auslaufen wollte. Gemütlicher Abend Nach verschiedenen früheren Erfahrungen akzeptierten wir dieses, nahmen die Aussage aber nicht so recht ernst, da andere Skipper dies gelegentlich als Vorwand genommen hatten um keinen Nachbarlieger mehr längsseits zu haben.
Am nächsten Morgen klopfte er aber pünktlich an unser Boot und wir erschienen schlaftrunken an Deck, um ihn aus der Mitte des Päckchens zu entlassen und unser Schiff mit den später noch dazu gekommenen Schiffen wieder fest zu machen. Von Boulogne aus ging es entlang der französischen und belgischen Küste wieder Richtung Holland.

Nachdem der Motor am nächsten Tag infolge endgültig defekter Batterien gerade noch einmal angesprungen war, Im commercial harbour in Calais ging es dann voll gegen kräftigen Wind und Welle Richtung Calais. Am Kap Griz Nez hatten wir knapp unter Land einen kräftig mitlaufenden Strom, so dass wir mit über 9kn Speed über Grund genau gegen den Wind an-, Leuchtturm von Calais auf die Wellenberge aufliefen und anschließend immer wieder in die Wellentäler fielen. Dieser heiße Ritt war doch sehr anstrengend so dass wir froh waren, endlich in Calais angekommen zu sein. Sehr ruhig war es hier allerdings auch nicht, da wir nicht hinter der Schleuse im Sportboothafen sondern im seitlich im Vorhafen lagen und die regelmäßig ein- und auslaufenden Fähren entsprechenden Schwell und Geräusche machten. Um wenigstens von den starken Tidenschwankungen nicht gestört zu werden und keine Probleme beim Festmachen zu haben gingen wir an einem Fischerboot längsseits. Prinzipiell war die Idee auch nicht schlecht, nur leider liefen die Fischer um 4.00 Uhr morgens aus. Nachdem sie ruck-zuck unsere Leinen losgeworfen hatten noch bevor wir irgendetwas erklären konnten, Leckeres Dinner an Bord trieben wir kurzzeitig im Hafenbecken, da der Diesel nun endgültig nicht mehr ansprang. Gott sei Dank lässt sich der Yanmar-Dreizylinder bei Abschaltung der Kompression und mit einem entsprechendem Schweißausbruch noch mit einer Kurbel anwerfen. Damit waren wir wenigstens in der Lage, an einen anderen Liegeplatz zu verholen. Der Tag war dann von Bummeln in der City, Besorgen von Lebensmitteln und insbesondere neuen Akkus bestimmt. Immerhin war der Batterie-Verkäufer so nett, uns mit den schweren Bleiakkus zum Hafen zu fahren, so dass wir die Dinger nicht schleppen mussten und am Nachmittag nach diversen Ein-, Aus- und Umbauten die größten Malessen bereits wieder überstanden hatten. Die bis dahin gesammelten Erfahrungen bei den verschiedenen angefallenen Reparaturen und Ein- und Ausbauarbeiten waren auch für mich als Nicht-Eigner von großer praktischer Bedeutung.

Die nächsten Etappen führten uns dann bei freundlichem Sommerwetter und mäßigen Winden über Dünkirchen und Niewpoort nach Oostende, wo wir wieder einen sehr schönen Stop mit Pausentag einlegten. Tallship in Oostendes Binnenhafen Nachdem wir auf dem ganzen Törn z.T. selbst gekocht, z.T. auch im Restaurant gegessen hatten, war hier wieder einmal ein Restaurantbesuch fällig. In einem kleinen, sehr hübsch eingerichteten Restaurant haben wir zu moderaten Preisen ein umfangreiches Mittagessen mit Suppe aus der großen Terrine, zartem Filetsteak, Krabben pulen für das Abendessen den unvermeidlichen und hervorragenden belgischen Frites und einem leckeren Nachtisch verspeist.
Nach einem Spaziergang durch die Stadt mit ihren schönen Straßen und Kanälen gab es dann zum Abendessen einen großen, bunten Sommersalat mit selbst gepulten Shrimps! Dieser Tag ist uns wegen der verschiedenen angenehmen Ereignisse in besonders guter Erinnerung geblieben.

An der Promenade von Blankenberge Allmählich ging die Zeit für den Törn zu Ende und damit mussten wir wohl oder übel über Blankenberge unseren Start- und Zielhafen Vlissingen ansteuern. In Blankenberge haben wir nochmal einmal eine Nacht verbracht und einen schönen Spaziergang durch das Städtchen und an der Promenade gemacht, an dem noch viele Touristen einen Abendbummel machten.

Middelburg's Altstadt Am nächsten Tag ging es dann endgültig zurück nach Vlissingen, dieses mal allerdings nicht in den Sportboothafen wo wir gestartet waren, sondern durch die Seeschleuse in den Binnenkanal. Ende des Törns Hier konnten wir noch einige Meilen bis Middelburg weitgehend segeln und den Motor nur als Stütze vor den Klappbrücken benutzen. In diesem schönen holländischen Städtchen war unsere Reise nach 3 Wochen nun endgültig beendet. Nach dem Zusammenpacken unserer Sachen haben wir noch einen ausgiebigen Bummel durch die sonnenbeschienene, historische Altstadt mit den schönen pittoresken Gebäuden und den allgegenwärtigen Kanälen und Schiffen gemacht. Danach blieb uns noch Zeit für einen Restaurantbesuch mit einem gemütlichen, gemeinsamen Abendessen. In Reihe und Glied' direkt an der Straße Das allerletzte übrig gebliebene Bier konnten wir dann noch im Cockpit unter den Bäumen mit Blick auf die Silhouette der Stadt genießen. Damit haben wir die gebunkerten (bzw. nachgebunkerten) Vorräte gut ausgenutztg. Der nächste Tag war dann unweigerlich der Tag des Abschied-Nehmens und Zeit für die Heimfahrt, die einen schönen Urlaub und einen interessanten Segeltörn beendete.

Die gesamte Route ist der nachstehenden Karte noch einmal zusammengefaßt.
Für die teilweise geringe Bildqualität bei den obigen Bildern muss ich um Verständnis bitten. Die Bilder stammen noch aus der Zeit, als ich keine DigiCam hatte, alle Papierbilder von Hand einscannen musste und die Monitorauflösungen ebenfalls begrenzt (und die Bilder damit größer) waren.

Die ganze Route in der Übersicht

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