Die Anfänge und die Grundausbildung in Haltern am Stausee

Ernsthaft mit der Idee des Segelns habe ich mich eigentlich erst ca. 2 Jahre nach meinen ersten Mitsegel-Erfahrungen in der Karibik durch das Angebot der Selmer VHS beschäftigt, in dem die Möglichkeit zum Erwerb des Sportbootführerscheins "Binnen" unter Segeln und Motor angeboten wurde.

Kopfschlag zum Belegen auf der Klampe Damit war die Gelegenheit gegeben, die Theorie des Segelns kennen zu lernen und dem vorher erlebten Spaß das nötige Grundwissen hinzuzufügen. Also wurde der Kurs gemeinsam mit meiner Frau besucht und die Theorie an den langen Winterabenden gelernt. Hier wurden wir mit dem ganzen, vorgeschriebenen Theoriestoff versorgt, von dem bis dahin natürlich niemand eine Vorstellung hatte.

Kreuzknoten zum Verbinden von 2 gleich starken Enden Meine Vorstellungen vom Segeln beschränkten sich bis dahin auf die Erfahrungen beim "Spazieren segeln" in der Karibik bei bestem Wetter, ohne eigene Verantwortung und einigen allgemeinen, sehr diffusen Vorstellungen vom "Kaffeesegeln" wie "Sonnenschein, leichter Wind, Segel setzen, Füße hochlegen und genießen" usw.

Der Palstek Daß man sich noch mit solch' banalen aber sehr umfangreichen Themen wie Schiffstechnik, Gesetzeskunde, Navigation, Lichterführung, Vorfahrtsregeln und derlei mehr auseinandersetzen muß, haben wir dann erst staunend zur Kenntnis genommen.

Die Slup Was gab es da nicht alles zu lernen. Zuerst bekam jeder einige Stücke unterschiedlichen Tauwerks und dann wurden die abgebildeten Knoten (und einige mehr) im Unterricht fleißig geübt bis sie einigermaßen flüssig klappten. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wurden Stuhllehnen zu Relingsdrähen umdefiniert und mit einem Webeleinstek zur Befestigung z.B. eines Fenders belegt. Palsteks, Kreuzknoten, Achtknoten usw. wurden ebenfalls immer wieder geübt, bis nichts und niemand vor den Knoten mehr sicher war.

Schoner mit Fock- u. Großmast u. Kuttertakelung Die Seemannschaft und die Schiffskunde war da schon etwas umfangreicher und schwieriger. Bis man einen Schoner von einer Ketsch und die wiederum von einer Slup unterscheiden kann, dauert es eine Weile. Die verschiedenen möglichen Takelungsarten (z.B. Kuttertakelung mit 2 Vorsegeln, Ketsch mit Besan und evtl. Stagsegel u.a.) machen die Sache auch nicht gerade einfacher. Den grundsätzlichen Aufbau eines Rumpfes mit Kiel, Kielschwein, Stringern, Balkwegern, Schotten, Süll und was es sonst noch alles an schiffbauerischen Fachbegriffen gibt habe ich mir zwar mal angehört und auch durchgelesen, das meiste habe ich aber doch recht schnell wieder vergessen. Welche und wie viele Begriffe braucht man denn auch schon, wenn man sich nicht gerade selber ein Schiff bauen will? Bei Schoten, Fallen, Streckern und dem ganzen stehenden Gut (Mast, Stagen, Wanten) ist das natürlich etwas anderes. Da müssen die Begriffe "sitzen", wenn man nicht vor einem Manöver oder in einer schwierigen Situation erst anfangen will zu überlegen oder zu diskutieren.

Slup mit Kuttertakelung (2 Vorsegel) Die Navigation war im Anfang noch etwas theoretischer mit all' den Tonnen, Baken, Brückendurch- und Schleuseneinfahrten usw. Da kam man schon einmal schnell durcheinander: "Was bedeuten denn noch mal zwei rote Lichter nebeneinander vor der Schleuse?" oder "Stehen die roten Tonnen bei eine Einfahrt in den Hafen nun links (d.h. korrekt an Backbord) oder rechts (Steuerbord)?" oder "Was waren noch mal die Unterschiede zwischen Festmache- und Liegeverbot?".

Dann kam noch das ganze Thema mit den Kursen und den Windrichtungen!
Wenn nun jemand meint, man brauchte ja nur im Sonnenschein mit schön geblähten, weißen Segeln herum zu segeln und die Füße im Wasser baumeln zu lassen, dann hat er (oder sie) sich das genau so einfach vorgestellt wie ich damals. Wann und warum muß man z.B. das Großsegel dichter holen oder die Fock (das Vorsegel) fieren?

Ketsch mit Groß- u. Besanmast Dann wurden wir noch mit jeder Menge unverständlicher Begriffe traktiert wie wahrer Wind, Fahrtwind, scheinbarer Wind und wann z.B. raumt bzw. schralt der Wind und was das für den Kurs bzw. die Segelstellung für eine Bedeutung hat. Bei der Erklärung zu Formstabilität, Gewichtsstabilität, Luv- und Leegierigkeit und Gewichtstrimm zur Korrektur eben derselben muß man auch schon ganz gut zuhören, wenn man die Prinzipien wenigstens einigermaßen verstehen will. Warum macht man z.B. beim Segeln "am Wind" Fahrt durch Auftrieb (Strömungsverhalten des Windes am Segel wie z.B. an einer Tragfläche) oder wie erklärt man die "Fahrt durch Widerstand" bei Vorwindkursen? Alles schon ganz schön kompliziert und theoretisch!

Wie stellt man die Segel richtig ein, wenn man einen bestimmten Kurs absegeln möchte? Wie fährt man eine richtige Wende oder eine saubere Halse, ohne daß daraus eine Krachhalse mit überknallendem Baum und "Kleinholz" wird?
Irgendwie hörte sich das im Unterricht schon alles ganz schön schwierig an.

Drucksysteme Bei den Wetterregeln war es auch nicht leichter. Daß die Luft in ein Tiefdruckgebiet links herum einströmt und aus einem Hochdruckgebiet rechts herum ausströmt, kann ich mir ja noch merken. Daß enger zusammen liegende Isobaren größere Druckunterschiede mit entsprechend stärkerem Wind bedeuten habe ich auch noch verstanden. Wann aber welche Wolkenformation in welcher Richtung welches Wetter ankündigt und wie die Fronten in den Wetterkarten zu interpretieren sind ist mir immer noch ein wenig suspekt geblieben, obwohl das Wetter wegen des Segelvergnügens und vor allem wegen der Sicherheit auf dem Schiff einer der wichtigsten Faktoren beim Segeln ist.

Lichterführung Motorboot Das Erlernen der Lichterführung von verschiedenen Segel- und Motorfahrzeugen, insbesondere in der Berufsschifffahrt ist ebenfalls ein sehr umfangreiches und kompliziertes Kapitel. Daß der sichtbare Winkel der verschiedenen Lichter detailliert vom BSH (siehe unter "Links") festgelegt ist muß man für die Prüfung einfach wissen. Die verschiedenen Anordnungs- und Farbkombinationen von Sport- und Berufsschiffahrt nehmen allerdings Schubverband schon einen sehr breiten Raum ein. Die Lichterführung auf einem Sportboot (Motor- oder Segelboot) kann je nach Größe schon sehr unterschiedlich sein, die Lichterführung auf einem Schubverband, einem Schleppverband oder einem Schwimmbagger kann aber schon reichlich verwirren. Daß am Tage statt der Lichter Tageszeichen mit Rauten, Körben und Kegeln in verschiedenen Kombinationen verwendet werden macht die Sache auch nicht einfacher.

Ausschnitt aus den Verkehrszeichen Bei der Gesetzeskunde, den Vorfahrtsregeln und den vielen Verkehrszeichen muß man fast wieder genaus so "büffeln", wie beim Auto-Führerschein. Hier kam ich am intensiven Lernen und Wiederholen einfach nicht vorbei, bis die ganze Thematik genügend "saß". Das Bild vermittelt nur einen kleinen Eindruck von den Regeln, denen auch ein Wassersportler auf Binnenschiffahrtsstraßen, d.h. im Wesentlichen den Kanälen und Flüssen unterworfen ist. Daß es zur Regelung des Schiffsverkehrs und zur Gewährleistung der Sicherheit auf dem Wasser eine "Binnenschiffahrtsstraßen-Ordnung" (BinSchStrO) gibt, klingt ja noch einigermaßen plausibel. Bei einer "Schiffahrtsordnung Emsmündung" (SchiffO Ems) oder einer "Bodensee Schiffahrtsordnung" (BodenseeSchO) kommt man allmählich schon in's Staunen. Restlos überzeugt ist man spätenstens bei der "Rheinschiffahrts-Polizeiverordnung" (RheinSchPVO). Gott sei Dank muß man ja nicht immer jede und alle Vorschriften auswendig kennen, wenn man sich überwiegend auf einem begrenzten Segelrevier aufhält.

Ein Teil der Schallsignale Na ja, soviel zur Theorie.

Die Segelpraxis wurde dann ab dem späten Frühjahr mit einem Jollenkreuzer auf dem Halterner Stausee geübt. Während der meisten Übungsstunden hatten wir zwar sehr schönes Wetter, leider war dort wegen der geschützen Lage und der umgebenden Wälder meistens aber wenig Wind bis Flaute, so dass zwar gefahrlos geübt werden konnte, die Manöver jedoch nicht immer zügig und flüssig gefahren werden konnten.

Einfacher Schotstek Jedenfalls war das Training auf dem kleinen Schiff (verglichen mit der großen Ketsch ANNA in der Karibik) sehr wertvoll, um Erfahrungen mit sehr sensiblen Booten zu bekommen und das nötige Gefühl für die richtigen Reaktionen zu entwickeln. Hier konnten alle Teilnehmer endlich die mühsam erworbenen theoretischen Kenntnisse in die Praxis umsetzen. Bis allerdings die Bedienung aller Fallen, Schoten und Strecker und die praktische Anwendung der erlernten Knoten richtig klappte, hat es schon einiger Zeit bedurft. Natürlich wurden hier die ganzen vorgeschriebenen Segelmanöver mit Aufschießern, Mann-über-Bord und diversen anderen geübt, bis der Ausbilder mit uns einigermaßen zufrieden war.

Anluven oder abfallen? An Begriffe wie "anluven", "abfallen", "an den Wind gehen" und dergleichen mehr mußte ich mich auch erst mal gewöhnen. Die Segelei hat schon eine eigene Sprache. Im Unterricht hatten wir das ja alles schon einmal gehört, aber in der Praxis ist vieles doch ganz anders. Da der Jollenkreuzer natürlich keinen Hilfsmotor hatte, war das Ab- und Anlegen aus der bzw. in die Boxenreihe immer etwas Glückssache, weil vom Wind abhängig. Mit dem nötigen Schwung aus der Box abstoßen ging ja noch, das Zurückkommen mußten wir gelegentlich auch mal mit den Paddeln unterstützen.

Parallel dazu mussten noch einige Fahrstunden auf einem Sport-Motorboot absolviert werden, um die verschiedenen Manöver (Ab- und Anlegen, Mann-über-Bord etc.) auch unter Maschine zu beherrschen. Diese praktische Ausbildung wurde mit Beibooten der DLRG im Vorhafen vor der Kanalschleuse in Haltern-Sythen durchgeführt. Dies erwies sich allerdings für einen Anfänger als reichlich schwierig, weil das Alu-Schiffchen zum Befahren von flachen Gewässern und Uferzonen nicht über einen richtungs-stabilisierenden Kiel und eine normale Schiffsschraube, sondern über einen sehr flachen Rumpf und einen Jetantrieb verfügte. Damit läßt sich das Schiff nur sauber steuern, wenn der Schub dem Schiff eine vernünftige Richtung gibt. Dieses Schiffchen hat uns bei den Übungsstunden und selbst den Prüfer bei der praktischen Prüfung schon einiges an Nervern gekostet.

Doppelter Schotstek Am Ende der Ausbildung wurde wie üblich die Prüfung durch den Deutschen Seglerverband (siehe unter "Links") abgenommen. Obwohl das Bestehen dieser Prüfung nicht lebenswichtig war, haben wir doch noch Einiges an Ehrgeiz entwickelt, Tage vorher noch intensiv gebüffelt und uns den ganzen möglichen Fragenkatalog immer wieder durchgeschaut (Wie war das noch mit dem Anluven und der Pinne: ziehen oder drücken?). Natürlich entwickelte sich dabei auch wieder die allseits bekannte Prüfungsangst (bzw. wenigstens die Nervosität).

Am Tage der Prüfung versammelte sich das Häuflein der Prüflinge mehr oder weniger nervös, mit einem gequälten Lächeln und dem Lehrbuch unter dem Arm an der Schule. Die Theorieprüfung wurde wie eine Klassenarbeit abgenommen, wobei ein Querschnitt aus allen oben genannten Themen abgefragt wurde. Nachdem dieser Prüfungsteil gottlob erfolgreich überstanden war ging es einige Wochen später an die praktischen Prüfungen.

Sportbootführerschein Binnen Die praktische Prüfung Segeln wurde wiederum in Haltern, die Prüfung mit dem Motorboot wieder im Kanalvorhafen in Sythen abgenommen. Nachdem wir den Prüfern unsere Künste im Knoten schlagen und einige wenige Segelmanöver bei Schwachwind vorführen durften (Was will denn das andere Prüfungsboot so dicht bei uns und wer hat denn jetzt nun wieder Vorfahrt: Lee vor Luv, oder Luv weicht Lee, oder so ähnlich!?) löste sich bei der feierlichen Übergabe der Segelscheine im Vereinshaus des Segelklubs der Streß in Wohlgefallen auf. Seit 1996 bin ich nun Besitzer des amtlichen(!) Sportbootführerscheins "Binnen" unter Segeln und Motor.


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